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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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ihm Luft zu. Sie riß die Augen auf, als sie Hoag sah und nicht den Ehrenwerten Medizin Riesen Heiler, den sie erwartet hatte, und wich angstvoll zurück, als er schwerfällig hereingestapft kam.
    Ori war bewußtlos, im Koma – seine Schwerter lagen auf einem niedrigen Gestell in der Nähe, in der Tokonoma stand ein Blumenarrangement. Hoag hockte sich neben ihn. Die Stirn des jungen Mannes war glühend heiß, das Gesicht gerötet, das Fieber gefährlich hoch. Der Grund dafür wurde klar, als Hoag den Verband an Schulter und Oberarm löste. »Großer Gott«, murmelte er, als er das Ausmaß der geschwollenen, giftigen Entzündung sah und den verräterischen Geruch sowie das schwarze, abgestorbene Gewebe – Gangräne – rund um die Schußwunde wahrnahm.
    »Wann wurde er verletzt?«
    »Sie weiß nicht genau. Zwei oder drei Wochen.«
    Abermals betrachtete er die Wunde. Dann ging er, ohne zu bemerken, daß alle ihn ansahen, hinaus, setzte sich auf den Rand der Veranda und starrte ins Leere.
    Jetzt brauche ich nur noch mein schönes Krankenhaus in Hongkong, die schöne Operationseinrichtung, meine wundervollen Nightingale-Schwestern und einen ganzen Haufen Glück, um diesen armen Kerl zu retten. Beschissene Schußwaffen, beschissene Kriege, beschissene Politiker…
    Verdammt, mein ganzes Arbeitsleben lang hab ich versucht, Schußverletzungen zu heilen, fast immer ohne Erfolg: sechs Jahre bei der Ostindienkompanie im verfluchten Bengalen, fünfzehn Jahre in der Kolonie, dann die Jahre des Opiumkrieges und mit dem Hongkong Hospital Detachement ein freiwilliges Jahr auf der Krim, das blutigste von allen. Beschissene Schußwaffen! Großer Gott, welch eine unnötige Verschwendung!
    Nachdem er seinen Zorn herausgeflucht hatte, steckte er sich eine Zigarre an, paffte und warf das Streichholz zu Boden. Sogleich eilte der erschrockene Diener herbei und las den anstößigen Gegenstand auf.
    »Oh, tut mir leid«, entschuldigte sich Hoag, dem die makellose Sauberkeit des Weges und der Umgebung entgangen war. Er inhalierte tief; dann konzentrierte er seine Gedanken auf den jungen Mann. Endlich entschloß er sich, wollte den Stumpen wegwerfen, hielt inne und gab ihn dem Diener, der sich verneigte und davonging, um ihn zu vergraben.
    »Cheng-sin, sag ihr, es tut mir leid, aber ich glaube, daß ihr Bruder sterben wird, ob ich nun operiere oder nicht.«
    »Sie sagt: ›Wenn stirbt, ist Karma. Wenn nicht Hilfe, er stirbt heute, morgen. Bitte versuchen. Wenn stirbt, Karma.‹ Sie bittet Hilfe.« Und leise setzte Cheng-sin hinzu: »Medizin Doktor Weiser Erleuchteter, dieser junge Mann wichtig. Wichtig versuchen, heya?«
    Hoag sah das junge Mädchen an. Sie erwiderte den Blick.
    »Dozo, Hoh Geh-sama«, sagte sie. Bitte.
    »Nun gut, Uki. Cheng-sin, sag ihr noch einmal, daß ich ihr nichts versprechen kann, aber ich will’s versuchen. Ich brauche Seife, viel heißes Wasser in Schüsseln, viele saubere Laken, viele zu Tupfern und Bandagen zerrissene Laken, viel Ruhe und jemand mit einem kräftigen Magen, der mir zur Hand geht.«
    Sofort zeigte das junge Mädchen auf sich selbst. »Watashi wa desu.« Das werde ich tun.
    Hoag runzelte die Stirn. »Sag ihr, daß es sehr unangenehm sein wird, viel Blut, viel Gestank und häßlich.« Er sah, wie sie dem Chinesen aufmerksam zuhörte und dann mit unübersehbarem Stolz erwiderte: »Gomenasai, Hoh Geh-san, wakarimasen. Watashi samurai desu.«
    »Sie sagen: ›Bitte entschuldigen, ich verstehe, ich Samurai.‹«
    »Ich weiß nicht, was das für Sie bedeutet, meine hübsche junge Dame, und ich wußte nicht, daß auch Frauen Samurai sein können. Aber fangen wir an.«
    Hoag merkte sehr schnell, daß eine Haupteigenschaft der Samurai Mut war. Kein einziges Mal schwankte sie, während er die Wunde reinigte, das infizierte Gewebe wegschnitt, wobei übelriechender Eiter freigelegt wurde, die Wunde ausspülte, wobei aus einer verletzten Ader Blut pulsierte, bis er den Strom stoppen und, immer wieder tupfend, die Ader reparieren konnte, während die weiten Ärmel des Kimonos sowie das Tuch, mit dem sie ihre Haare zurückgebunden hatte, über und über beschmutzt waren und stanken.
    Eine Stunde arbeitete er, summte von Zeit zu Zeit vor sich hin, mit verschlossenen Ohren, mit verschlossener Nase, weil alle Sinne geschärft waren, wiederholte eine Operation, die er tausendmal durchgeführt hatte. Schneiden, nähen, säubern, verbinden. Dann war er fertig.
    Ohne Eile reckte er sich, um seine verkrampften

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