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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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den freudig erwarteten, schönsten Teil des Tages getroffen: die Gespräche nach dem Dinner über die neuesten Gerüchte und Nachrichten – Gott sei Dank kommt morgen wieder der Postdampfer! –, die herzliche Kameradschaft und das Lachen über gepfefferte Skandale, die Spannung bei geschäftlichen Problemen und der Frage, ob es Krieg geben wird, die Berichte über das neueste Buch, das jemand gelesen, oder ein neues Gedicht, das jemand erdacht hatte, die Erzählungen über Reisen an unbekannte Orte innerhalb des Empire – Neuseeland, Afrika und Australien, bis auf die Küstenregionen noch kaum erforscht – oder in den Wilden Westen Amerikas und Kanadas, die Geschichten vom kalifornischen Gold Rush von ‘48 oder über Besuche in Spanisch-, Französisch- oder Russisch-Amerika – Dimitri hatte einmal die nicht kartographierte Westküste von San Francisco nach Norden bis nach Russisch-Alaska befahren –, und jeder Mann berichtete von seltsamen Dingen, die er gesehen, Mädchen, die er probiert, Kriegen, die er erlebt hatte. Guter Wein, gute Drinks, Pfeifen und Tabak aus Virginia, ein paar Abschiedsdrinks im Club, danach Abendgebete und ins Bett.
    Ein ganz normaler Abend im Britischen Empire.
    Manche Gastgeber spezialisierten sich auf Dichterlesungen oder Auszüge aus einem bevorzugten Roman, und so fand sich bei Norbert Greyforth ganz privat eine Gesellschaft von Gästen zusammen, die allesamt Schweigen geschworen hatten, um sich die Schwarzkopie des letzten Kapitels anzuhören, die er in der ihm zugeteilten Stunde angefertigt hatte, indem er all seine fünfzig Büroangestellten dafür einsetzte. »Wenn etwas rauskommt, werdet ihr alle fristlos entlassen«, hatte er ihnen gedroht.
    Im Club wurde noch über den gestrigen Ball diskutiert und beratschlagt, wie man so etwas öfter arrangieren könnte. »Warum nicht jede Woche, eh? Von mir aus kann Angel Tits mit Naughty Nellie Fotheringill jeden Tag die Röcke schwenken und ihre Büxen zeigen…«
    »Verdammt noch mal, hört endlich auf, sie Angel Tits zu nennen!«
    So begann unter Johlen und Pfeifen wieder einmal eine Schlägerei, und während Lunkchurch und Grimm, die beiden Kontrahenten, antraten, um einander den Schädel weich zu prügeln, wurden zahlreiche Wetten angenommen.
    Fast genau gegenüber dem Club lag der große Backsteinbau der britischen Gesandtschaft mit Fahnenmast im Vorgarten und grünem Park, umgeben, wie die meisten wichtigen Gebäude, von einem hohen Zaun. Sir William war, ebenso wie sein wichtigster Gast, der Admiral, bereits zum Dinner angekleidet. Beide Herren kochten vor Wut.
    »Diese verdammten Schweine!« fluchte der Admiral, dessen rotes Gesicht noch tiefer gerötet war als sonst, und ging zum Sideboard, um sich noch einmal einen großen Whisky einzuschenken. »Das ist einfach unverständlich.«
    »Absolut.« Sir William warf die Schriftrolle beiseite und funkelte Johann und Tyrer, die vor ihm standen, aufgebracht an. Vor einer Stunde hatte ein Bote des japanischen Gouverneurs die Rolle im Auftrag der Bakufu gebracht. »Sehr dringend, Verzeihung.« Statt auf holländisch, wie üblich, war der Text in Schriftzeichen abgefaßt. Mit Seratards Zustimmung hatte Johann einen der zu Besuch weilenden französischen Jesuiten-Missionare konsultiert und eine Rohübersetzung zustande gebracht, die Tyrer sofort in korrektes Englisch übertrug.
    Die Nachricht kam vom Ältestenrat und war von Anjo unterzeichnet. Sie lautete:
    Ich spreche mit Ihnen per Depesche. Auf Befeh l des Shōgun, übermittelt aus Kyōto, wird der Termin der Verhandlungen mit den roju, die in neunzehn Tagen stattfinden sollten, sowie die für denselben Tag angesetzte Audienz bei dem Erhabenen Shōgun um drei Monate verschoben, da Seine Majestät nicht frühe r zurückkehren wird. Daher lasse ich Ihnen dieses zukommen, bevor ich eine Konferenz über die Details einberufe. Die zweite Rate des Geschenks wird dreißig Tage später geliefert. Hochachtungsvolle und demütige Kommunikation.
    »Johann«, sagte Sir William in eisigem Ton, »würden Sie sagen, daß dies ein grob, unhöflich und eindeutig beleidigend abgefaßtes Schreiben ist?«
    Der Schweizer zeigte ein gezwungenes Lächeln und antwortete vorsichtig: »Ich glaube, Sir William, das haben Sie richtig ausgedrückt.«
    »Verdammt noch mal, ich habe tagelang verhandelt, gedroht, nicht geschlafen und wieder verhandelt, bis sie endlich auf das Haupt des Shōgun geschworen haben, daß die Verhandlungen mit ihnen am 5. und 6. November

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