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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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diese unhöfliche Offenheit, ein wirklich unerhörter Affront, und steckte in einem Dilemma. Seine Instruktionen waren eindeutig gewesen: Die Gai-Jin sollen warten, bis eine angemessene ›Gesichtsverlust‹-Zeit verstrichen ist, etwa eine halbe Kerze; dann werden wir eine Nachricht schicken, und Sie werden sie zu uns bringen. Rasch sagte er: »Selbstverständlich werde ich Sie hinbringen – sobald Sie sich erfrischt haben und alles für einen perfekten Empfang vorbereitet ist. Aber es tut mir leid, das wird noch eine Weile dauern, da ihre Hoheiten noch nicht korrekt gekleidet sind, also ist es mir unmöglich, dem ungehörigen Wunsch Ihres Herrn Folge zu leisten, Dolmetscher-san.«
    »Bitte noch einmal sagen, nicht schnell«, entgegnete Tyrer nervös. Wieder eine Flut von Japanisch. »Sir William, ich glaube, er sagt, wir müssen warten.«
    »Eh? Wieso?«
    »Mein Herr sagt, warum warten.«
    Noch mehr Japanisch, von dem Tyrer kein Wort verstand, dann ging der Mann zu Holländisch über, und Erlicher mischte sich ins Gespräch, was Sir William und die anderen jedoch nur noch mehr verärgerte. Schließlich sagte Erlicher: »Mir scheint, Sir William, daß die roju noch nicht, wie sagt man, ach ja, daß sie noch nicht ganz fertig sind, daß wir jedoch, sobald sie fertig sind, ins Konferenzzimmer gebracht werden.«
    »Bitte, erklären Sie diesem, diesem Burschen eindeutig, daß er uns auf der Stelle dort hinbringen soll, daß wir pünktlich sind, daß Besprechungen auf hoher Ebene stets pünktlich beginnen, weil beide Seiten andere wichtige Staatsangelegenheiten zu bearbeiten haben, wie ich es jetzt schon fünfzigmal erklärt habe! Und sagen Sie ihm, er soll sich beeilen!«
    Erlicher strahlte und übersetzte unmißverständlich. Und so sehr sich der Beamte auch wand und schließlich sogar bettelte, verneigte er sich dann doch und führte sie so langsam wie möglich durch eine Tür und einen Korridor entlang, nachdem er einen Boten vorausgeschickt hatte, um den Rat von der überraschenden Impertinenz der Gai-Jin zu unterrichten.
    Ein weiterer Korridor, dann öffneten Samurai eine unmittelbar vor ihnen liegende riesige Flügeltür. Der Beamte fiel auf die Knie und neigte den Kopf bis auf den Boden. Vier Männer in reichen Seidengewändern saßen, die Schwerter im Gürtel, am anderen Ende des Konferenzzimmers auf einer etwas erhöhten Plattform auf Stühlen. Der mittlere Stuhl war leer. Vor ihnen waren – was alle Gesandten sofort bemerkten – ein wenig tiefer sechs Stühle für die Gesandten aufgestellt, und zwischen den beiden Reihen kniete der offizielle Dolmetscher. Etwa einhundert Samurai-Offiziere knieten im Halbkreis der Tür gegenüber und verneigten sich, als Sir William eintrat. Die vier roju verneigten sich nicht.
    Sir William und die anderen erwiderten die Verneigung höflich; dann näherten sie sich dem Podium und nahmen ihre Plätze ein: »Ganz gleich, was bei denen hier der Brauch sein mag – Gesandte zivilisierter Nationen werden sich unter keinen Umständen auf die Knie niederlassen und mit der Stirn den Boden berühren, und damit basta«, hatte Sir William energisch erklärt.
    Phillip Tyrer, durch Nakama inzwischen ein Experte für Verneigungen, bemerkte, daß es sich, wenn sich die Ältesten verneigten, immer um die Verneigung eines Höhergestellten vor einem Untergebenen handelte. Macht nichts, dachte er, beeindruckt und aufgeregt, wir befinden uns im Allerheiligsten. Wann kommt der Shōgun und nimmt seinen Platz ein? Ein Knabe? Möchte wissen, wie er aussieht und was…
    Ein Ältester ergriff das Wort. Erschrocken erkannte Tyrer in ihm den jüngeren Beamten von den früheren Verhandlungen in der Gesandtschaft, und neben ihm den nervösen, dunkelhäutigen Mann, der damals nichts gesagt, aber alles aufmerksam beobachtet hatte.
    Warum waren zwei Älteste bei uns, ohne sich zu erkennen zu geben? fragte er sich. Moment mal, hat sich der junge Beamte damals nicht als Tomo Watanabe vorgestellt? Ja, ja, natürlich, ›niederer Beamter zweiter Klasse‹. Offensichtlich ein falscher Name. Aber warum? Und warum die Tarnung?
    Beunruhigt verschob Tyrer die Antwort darauf auf später und konzentrierte sich auf das, was der Mann sagte, obwohl er kaum etwas davon verstand. Das hatte Nakama ihm vorausgesagt und ihm erklärt, daß man vermutlich höfische Wörter benutzen würde, die, genau wie die meisten normalen japanischen Wörter und Ausdrücke, mehrere, häufig einander widersprechende Bedeutungen

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