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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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die vier Dampfbadkästen und die Massagetische – bis auf einen. In Sekundenbruchteilen sah er jede Einzelheit des winzigen, nackten Mädchens, das dort lag: den Schrecken in ihren Augen, den halb offenen Mund mit den geschwärzten Zähnen, die pechschwarze Haarmähne in ein schneeweißes Handtuch gedreht, kleine Brüste, Glieder und Füße, dunkelbraune Brustwarzen, alles an ihr geschwungen, einladend, goldene, jetzt von der Hitze des Bades sanft gerötete Haut, eingeölt und duftend – und die blinde, halbnackte Masseuse, die reglos, mit schräggelegtem Kopf, aufmerksam neben ihr stand.
    So leicht, das Mädchen und alle anderen zu töten, aber sein Auftrag lautete, ihr auf gar keinen Fall etwas anzutun. Trotzdem schien sein Kopf vor Wut darüber, daß sie hereingelegt worden waren – denn nicht nur ihre Zeitplanung, sondern auch ihre Informationen waren perfekt gewesen, und der Shōgun wich nie von seinen Gewohnheiten ab –, zu explodieren. Aber die Wut verwandelte sich in Begehren, ließ ihn erzittern, und nun verlangte sein ganzer Körper nach ihr, auf der Stelle, brutal, irgendwie, die Ehefrau vor dem Ehemann, Tod für beide, sie aber zuvor weit gespreizt.
    Seine Lippen zogen sich von den Zähnen zurück, und er stürzte quer durch den Raum. Die Dienerinnen stoben auseinander, eine wurde ohnmächtig, die Prinzessin keuchte auf und lag reglos, vor Angst erstarrt da. Doch seine Fixierung auf den Shōgun lenkte ihn an ihr vorbei und in die Shoji-Tür, die er ebenfalls durchbrach, um wieder einmal, mit Tosa auf den Fersen, zielsicher über Veranden, Gärten rechts, Zimmer links, auf die Schlafräume und somit sein Opfer zuzulaufen – kein denkender Mensch mehr, sondern ein rasendes, blutrünstiges Tier. Die Shoji-Türen standen offen, Gesichter tauchten auf: Zofen, junge Männer, Hofdamen und Diener, angelockt von dem Tumult, ganz oder halb angekleidet für den Abend, fürs Bett oder fürs Bad.
    Keine Wachen in diesen Räumen. Noch nicht.
    Ein paar Zimmer noch zu durchmessen, Türen, Gesichter; gleich würde er um die letzte Ecke, die letzte Veranda biegen. Saigos erwartungsvolle Erregung stieg, denn dies war ein wunderschön gedeckter Durchgang, links und rechts Gärten, ohne weitere Räume mit mißtrauischen Wachtposten, und am Ende die Schlafräume des Shōgun, wo er selbst sich mit seiner Kurtisane heimlich aufs Kopfkissen gelegt hatte.
    Alle Sinne für die zu erwartenden Gefahren geschärft, Tora, ebenso schnell, einige Schritte hinter ihm. Geräusche von Männern, die sich dem Feind näherten, hämmernde Füße. Ein weiterer Raum durchmessen. Nur noch eine Tür, die letzte Gefahr. Gesichter vor der Tür, ein Arzt und ein hustender Knabe, die ihn in abgrundtiefem Schrecken anstarrten; dann um die Ecke, um ihren letzten, endgültigen Angriff zu beginnen.
    Unvermittelt machten die beiden Männer halt. Ihr Herz setzte aus. Aus der Tür zum Allerheiligsten, unmittelbar vor ihnen, traten mit gezogenem Schwert ein Offizier und drei Samurai, die dort stehenblieben und sie erwarteten. Ein kurzes Zögern, dann griff Saigo, gefolgt von Tora, blindlings an: Nur diese vier Männer standen noch zwischen ihnen und dem Shōgun, den sie beschützten. »Sonno-joi!«
    Der Hauptmann stellte sich dem ersten Angriff, parierte den Schlag und blockierte das Schwert des anderen; dann drehte er sich heraus und hieb auf Saigo ein, während zwei andere Samurai Tora angriffen und der letzte, wie befohlen, als Reserve zurückblieb. Saigo wehrte den Hieb ab und schlug zurück, verfehlte aber sein Ziel. Ein weiterer wütender Schlagabtausch, bei dem Saigo, dem Ziel so nahe, souverän und selbstbewußt kämpfte, den Angriff vorwärtstrug, das Gefühl hatte, übermenschlich zu sein, mit einer Klinge, die von selbst das Fleisch des Feindes suchte, wie sie in wenigen Sekunden den Shōgun-Knaben töten würde…
    Dann zuckte ein blendend-greller Blitz hinter seinen Augen auf, dröhnte in seinem Schädel, und plötzlich sah er wieder den Arzt und den Knaben vor sich und erinnerte sich daran, daß ihm jemand gesagt hatte, der Shōgun-Knabe habe Keuchhusten – ein Porträt von ihm gab es natürlich nicht, und natürlich hatte ihn keiner der Shishi jemals gesehen: »Wenn ihr ihn nicht im Badehaus erwischt«, hatte Katsumata gesagt, »erkennt ihr ihn an seinen geschwärzten Zähnen, dem Husten, seiner Nähe zur Prinzessin, der Qualität seiner Gewänder – und vergeßt nicht, daß er wie die Prinzessin keine Wachen um sich haben mag.«
    Mit

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