Noble House 02 - Gai-Jin
vorbereitet. Er hatte den Speer fallen lassen und rammte seinen rechten Unterarm gegen Rushans Handgelenk, um die Klinge auf seinen Umhang abzulenken, damit sie sich darin verfing. Sofort ließ Rushan los, und seine Hand, jetzt eine mörderische Waffe mit Fingern wie steinharte Klauen und Nägeln wie Krallen, stach nach Yoshis Augen. Die Nägel verfehlten die Augen, trafen aber das Fleisch darunter.
Yoshi keuchte. Ein weniger trainierter Mann hätte den Griff um das Langschwert des Angreifers gelockert und wäre gestorben. Blind klammerte er sich, jetzt mit zwei Händen, an den Mann, der sich ohnmächtig in sein Gesicht krallte und die Kontrolle verloren hatte. Dies gab einem Soldaten die Möglichkeit, Rushan um den Hals zu packen, und Wataki, der wußte, daß der Kampf verloren war, und Angst hatte, der Shishi werde lebend gefangen, stieß dankbar sein Kurzschwert in Rushans Rücken. Die Kraft des Stoßes durchbohrte den ganzen Körper. Rushan schrie auf. Blut strömte aus seinem Mund, aber er kämpfte weiter, obwohl der Tod schon in ihm aufstieg. Kaum eine Minute war seit dem ersten Angriff vergangen.
Yoshi spürte, wie das Leben den Mann verließ, aber er ließ erst los, als er vollkommen sicher war, daß der Mann wirklich tot war. Dann erst ließ er zu, daß andere Hände den Leichnam wegzogen und fallen ließen.
Er war blutbedeckt, aber er merkte schnell, daß es nicht sein eigenes Blut war. Daß er Glück gehabt hatte, minderte nicht seine Wut auf die Männer ringsum, die nicht aufgepaßt, keinen Schutzschirm gebildet und ihm das Kämpfen überlassen hatten. Er verfluchte sie und befahl der ganzen Truppe niederzuknien, und sie mußten ihre Schwerter zerbrechen, bis auf die beiden Soldaten, die ihm geholfen hatten. Dann schaute er sich keuchend um. Die belebte Straße war beinahe verlassen.
Als das Geschrei und Getümmel rings um den einsamen Angreifer als das begriffen wurde, was es war, und als binnen Sekunden Yoshis Hut abgerissen und er erkannt wurde, war ein Raunen durch die Menge der gewöhnlichen Leute gegangen. Sofort machten sich zwei oder drei mit abgewandtem Gesicht davon. Andere folgten. Das vorsichtige Tröpfeln wurde zu einer Flut, da niemand als Zeuge festgehalten oder gar beschuldigt werden wollte, ein Komplize zu sein.
Izuru war einer der ersten, die sich abwandten, als er erkannte, daß einem zweiten Angriff auch kein Erfolg beschieden sein würde. Rushan hat die Attacke verfehlt, dachte er, während er eine Seitenstraße entlangging, gut abgeschirmt von der davoneilenden Menge. Der Narr hätte einem von den beiden ersten Soldaten den Kopf abschlagen sollen, um die anderen abzulenken, und dann mit derselben flüssigen, brutalen Kraft das eigentliche Ziel attackieren sollen. Diesem Schlag wäre Yoshi nicht entkommen. Niemals. Katsumata wird wütend sein, er hat es oft genug vorgeführt und uns beigebracht. Eine einmalige Gelegenheit vergeudet! Und daß Yoshi sein Heft packen und den Bauchstoß parieren konnte…
Rushan hätte verdient, lebend gefangen und zu Schwertübungen benutzt zu werden! Aber vielleicht war es besser so. Wenn Rushan in seinem allerwichtigsten Zweikampf so ungeschickt gewesen war, dann wäre er vermutlich auch zusammengebrochen und hätte unsere sicheren Häuser verraten, diejenigen, die er kannte. Tosas kann man nicht vertrauen, ob sie nun Shishi sind oder nicht!
Aber warum ging Toranaga Yoshi ein solches Risiko ein?
Hinter ihm ertönten Schreie. Soldaten jagten die letzten Nachzügler der Menge, um einige von ihnen als Zeugen einzufangen. Keine Chance, daß sie ihn erwischten, kein Grund zur Eile.
Der Regen setzte wieder ein, und der Wind frischte auf. Er zog seinen Umhang fester um sich. Eine weitere Gasse voller Pfützen entlang, in eine andere, über eine Brücke, deren Holzplanken schlüpfrig waren. Bald war er sicher in einem Netz kleiner Straßen, die zum Hintereingang in der Mauer eines großen Gebäudes führten. Ein Wächter erkannte ihn, ließ ihn passieren und winkte ihn zu der geheimen Shishi-Zuflucht, die in den großen Gärten versteckt lag. Die Uniform des Mannes trug die Insignien von Wakura, dem kaiserlichen Großkanzler.
In der Straße des Toranaga-Hauptquartiers wurde der Standinhaber ins Wachhaus geschubst. Er protestierte laut, er wisse nichts, sei nichts und bitte nur darum, gehen zu dürfen – er hatte es nicht gewagt, mit den anderen zu verschwinden, da er in der Gegend bekannt war.
Mit Hilfe eines Spiegels aus poliertem Stahl legte
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