Noble House 02 - Gai-Jin
bekommen. Tee?«
Hiraga setzte sich auf das gegenüberliegende Kissen, zügelte seine Ungeduld, dankte ihm und nahm die obligatorische Schale entgegen. »Wie geht es Ihnen?« fragte er höflich, und sein Herz schlug schneller, als ihm lieb war.
»Ich habe Sorgen, Otami-sama. Es scheint, daß die Gai-Jin diesmal sehr entschlossen sind, zu viele Truppenbewegungen, zu viele Schiffe, die ihre Waffen reinigen, viele Gerüchte über weitere Schiffe, die kommen sollen. Haben Sie vielleicht von Ihrem Taira-Gai-Jin gehört?«
Hiraga dachte darüber nach. Tyrer und das gesamte Gesandtschaftspersonal waren in Aufruhr, seit das Ultimatum des taikō Anjo eingetroffen war. Sir William brüllte lauter als gewöhnlich, der Dolmetscher Johann schloß sich stundenlang mit Tyrer ein und schrieb immer neue Brief an die Bakufu, bei denen er ihn nur manchmal bat, einen Satz zu verfeinern. »Einfacher, wenn ich sehe Brief, Taira-sama«, pflegte er dann immer zu sagen, da er wissen wollte, was abgeschickt wurde.
»Ja, schon, aber für den Augenblick nur diesen Satz…«, pflegte Taira dann stets zu sagen, eindeutig verlegen. Es war jeden Tag dasselbe, und das hatte seine Unruhe gesteigert. Offensichtlich trauten sie ihm nicht mehr wie zuvor, und das, nachdem er Tag und Nacht gearbeitet hatte, um ihre Sprache zu lernen, und ihnen alle möglichen Informationen gegeben hatte. Verachtenswerte Gai-Jin-Hunde, hatte er gedacht und gefürchtet, Sir William könne ihn jeden Tag hinauswerfen – sein Plakat hing noch immer auffällig im Haus der Samurai-Wachen, und die Patrouillen untersuchten böswillig alle Japaner, die in der Niederlassung ein- und ausgingen.
Solche Patrouillen sollten nicht erlaubt sein. Die Gai-Jin sind so dumm – ich an ihrer Stelle würde ›feindliche Wachen‹ nicht zulassen! Idiotisch, daß Anjo sie mit so schlechten Manieren und seiner Arroganz aufbringt, solange ihre Flotte hier ist. Der Ältestenrat ist verrückt!
»Die Gai-Jin-Beamten sagen mir viele Dinge, Shoya«, erklärte er, als habe er nichts dagegen, belauscht zu werden. »Zum Glück bin ich in ihre innersten Geheimnisse eingeweiht. Es kann durchaus sein, daß ich Sie rechtzeitig warnen kann, wenn irgendeine Gefahr Sie bedroht. Inzwischen habe ich ihnen geraten, sich davor zu hüten, Sie und das Dorf aufzubringen.«
Der Shoya beugte sich über die Tatami, dankte ihm mehrmals und sagte dann: »Das sind schreckliche Zeiten, Krieg ist schrecklich, und die Steuern werden wieder erhöht.«
Gut, dachte Hiraga mit schmerzendem Kopf, du kannst es dir leisten, aber du oder irgend jemand in der Gyokoyama werden deswegen nicht weniger essen oder trinken, und eure Ehefrauen und Frauen werden sich nicht weniger teuer kleiden! Parasiten! Schon brecht ihr alte Gesetze, indem ihr euren Frauen erlaubt, verbotene Kleiderfarben wie Rot zu Hause als Unterkimonos zu tragen. Wenn wir an der Macht sind, wird es eine Abrechnung geben.
Komm schon, du alter Narr, komm zur Sache. Ich kann nicht den ganzen Abend vergeuden, und ich werde nicht das Gesicht verlieren, indem ich frage, ich habe heute nacht noch zu studieren und muß versuchen, ein weiteres Buch zu lesen. »Ich kann vielleicht Ihre Interessen wahren«, sagte er spitz.
Wieder dankte ihm der Shoya. »Die Botschaft, die ich erhielt, betraf das Mädchen, nach dem Sie fragten. Vor vier Tagen hat Herr Yoshi Kyōto heimlich verlassen, kurz vor der Morgendämmerung, mit einer kleinen Eskorte von Soldaten und als einer von ihnen verkleidet. Sie ging mit. Auch dabei war… geht es Ihnen gut, Otami-sama?«
»Ja, bitte, fahren Sie fort«, sagte Hiraga. »Fahren Sie fort, Shoya.«
»Gewiß. Mit dabei waren die Kurtisane Koiko und das Mädchen, das ihre neue maiko ist…«
»Ihre was?« keuchte Hiraga, in dessen Kopf der Name ›Koiko‹ samt allem, was er bedeutete, widerhallte.
»Bitte, darf ich Ihnen etwas Tee oder Saké anbieten?« fragte der Shoya, der sah, welchen Eindruck die Nachricht machte. »Oder ein heißes Tuch, oder darf ich et…«
»Nein, fahren Sie fort«, sagte Hiraga mit kehliger Stimme.
»Da ist nicht viel mehr. Wie Sie wissen, ist die Dame Koiko die berühmteste von Edos Kurtisanen und inzwischen Herrn Yoshis Gefährtin. Das Mädchen wurde zehn Tage zuvor zu ihr geschickt.«
»Von wem?«
»Das wissen wir noch nicht, Otami-sama«, sagte der Shoya, der diese Information für ein anderes Mal zurückbehielt. »Es scheint, daß die Dame Koiko das Mädchen als maiko akzeptierte, nachdem Herr Yoshi das
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