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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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haßte er die eigene Angst. Die nächste Welle zerrte an ihm, aber er hackte mit der Axt in beiden Händen mit aller Kraft zu; er rutschte aus, packte die Seite des Kajütendachs, als eine weitere Welle ihn erreichte und gegen den Sarg schleuderte. Keuchend rappelte er sich hoch und hackte wieder, diesmal auf den Sarg selbst, denn er haßte das Übel, zu dem dieser geworden war.
    Die Klinge durchschnitt die Seiltrossen, aber nicht die aus Draht, die völlig durcheinandergeraten waren, bohrte sich in den beflaggten Deckel oder Boden des Sarges – er wußte nicht, was es war, und es war ihm auch egal – und spaltete ihn. Aber noch immer hing der Sarg fest. Selbst mit seiner ganzen Kraft vermochte Jamie ihn nicht zu bewegen, er schob und trat ihn und fluchte, und der größte Teil des Sarges hing über Bord und im Wasser und zog sie nieder in die Wellen.
    Noch ein Schlag, noch einer und noch einer; er benutzte jetzt den Kopf der Axt wie einen Vorschlaghammer, um den Sarg in Stücke zu hauen, tobend und fluchend. Das Holz splitterte, zerbrach aber nicht, und dann zerschmetterte ein wilder Schlag Deckel und Seite, und er glitt aus und fiel hin. Die Axt glitt ihm aus den Händen und ging über Bord, und die nächste Welle schleuderte ihn gegen den Sarg und zog ihn dann wieder zurück. Als die Gischt verschwunden war und er wieder atmen konnte, zwang er sich, die Augen zu öffnen. Noch immer dasselbe. So fest wie zuvor. Wieder zog er sich vorwärts, aber seine Kraft hatte ihn verlassen, und seine Hände konnten ihn kaum noch halten.
    Dann sah er eine einzelne zersplissene Trosse reißen. Das Durcheinander von Tauen knarrte unter der Spannung, bewegte sich, entwirrte sich ein wenig, dann noch mehr, und dann glitt der ganze Sarg mit dem Fußende zuerst von Bord und zerbrach, als er auf den Wellen aufschlug. Einen Augenblick blieb er noch an der Oberfläche, dann ging er mit Schaum und Blasen unter. Ein Stück Stoff, die Flagge der Struans, kam hoch. Der nächste Brecher ließ es verschwinden und zog Jamie die Beine unter dem Körper weg, schleifte ihn gegen den Bugspriet-Aufbau und saugte ihn dann wieder über das Deck. Tinker kämpfte darum, das Schiff wieder unter Kontrolle zu bringen.
    Erstaunt, am Leben zu sein, fand Jamie sich keuchend im Heck wieder. Er war am Ende seiner Kraft, tastete nach der Tür und ließ sich in die Kajüte fallen.
    Skye kauerte noch immer würgend und halb bewußtlos in seiner Ecke. Hoag lag ohnmächtig auf dem Bauch, Angélique hatte sich auf der Bank zusammengerollt, wie er sie zurückgelassen hatte. Sie klammerte sich fest, stöhnte und schluchzte leise und hielt die Augen fest geschlossen. Zitternd ließ er sich neben sie fallen, seine Brust hob und senkte sich heftig, er konnte nicht denken, sondern wußte nur, daß sie noch am Leben und noch in Sicherheit waren.
    Nach einer Weile klärte sich sein Blick. Er sah Land in etwa einer Meile Entfernung und bemerkte, daß der Regen nachgelassen hatte und die Wellen auch. Jetzt spülte nur noch gelegentlich ein Brecher über Bord. In einem Spind unter dem Sitz fand er Decken und legte eine Angélique um, eine sich selbst.
    »Mir ist so kalt, Jamie! Wo waren Sie?« schluchzte sie wie ein erschrockenes Kind, nur halb bei Bewußtsein. »Mir ist so kalt, so einsam, und ich fühle mich entsetzlich, aber ich bin so froh, daß wir es getan haben, so froh, Jamie, mir ist so kalt…«
    Als sie an der Pier von Struan’s anlegten, blinkten hoch am Himmel ein paar Sterne. Es war noch früh, noch vor Einbruch der Dunkelheit. Der Himmel hatte aufgeklart und versprach für morgen schönes Wetter. Die Handelsschiffe und die Flotte lagen sicher vor Anker, ruhig, mit aufgesetzten Lichtern – nur auf dem Postdampfer wurde noch unter zahllosen Öllampen gearbeitet, die wie ebensoviele Glühwürmchen aussahen.
    Behende sprang der Heizer mit einer Trosse auf die Brücke und vertäute das Schiff. Dann half er den anderen, zuerst Angélique, dann Skye und Hoag. Jamie nahm die Stufen mühelos, noch immer in seine Decke gewickelt, frierend, aber nicht unterkühlt. Skye und der Doktor waren aschgrau, ihnen war übel und schwindlig, und ihre Knie waren weich. Angélique ging es inzwischen viel besser. Ihre Kopfschmerzen waren vergangen. Ihr war nicht übel gewesen, und sie war auch nicht seekrank geworden. Die letzte halbe Stunde hatte sie auf Deck zugebracht, fern der stickigen, üblen Luft unten, sich zu Jamie gesellt, der am Heck stand, und hatte sich den Wind um die

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