Noble House 02 - Gai-Jin
Gewehre von den Schultern, präsentierten sie und blieben reglos stehen: dreißig Wachleute, dreißig Highlander im Kilt und eine berittene Dragonertruppe.
Yoshi erwiderte den Salut mit seiner Reitgerte und verbarg seine Angst, so viele feindliche Soldaten mit so vielen makellosen Gewehren zu sehen. Nie im Leben war er so ungeschützt gewesen. Nur Abeh und zwei Wachen, gleichfalls beritten, umgaben ihn, gefolgt von einem Pferdeknecht zu Fuß und einem Dutzend schwitzender, nervöser Träger, die an Stangen zwischen sich schwere Bündel schleppten.
Er war ganz in Schwarz gekleidet: Bambuspanzer, leichter Helm, breitschultrige Tunika, zwei Schwerter – sogar sein Hengst war ein Rappe. Doch das mit Quasten versehene Geschirr, die Zügel und die Satteldecke waren absichtlich in Scharlachrot gehalten. Als er Pallidar passierte und durch das Tor ritt, bemerkte er die kalten blauen Augen, die ihn an einen toten Fisch erinnerten. Oben an der Treppe des Hofes aus gestampfter Erde sah er Sir William, flankiert von Seratard und André Poncin auf der einen Seite sowie dem Admiral, Dr. Babcott und Tyrer auf der anderen – genau, wie er es verlangt hatte. Alle hatten sich herausgeputzt und trugen Zylinder und warme Wollmäntel gegen die morgendliche Kälte. Yoshi ließ rasch seine Blicke über die Gruppe schweifen, hielt einen Moment bei Babcott inne, verblüfft über dessen Körpergröße, zügelte sein Pferd und grüßte mit der Gerte. Die anderen verneigten sich lässig, der Admiral salutierte.
Sofort kam Sir William, dicht gefolgt von Tyrer, lächelnd die Stufen herunter, um ihn zu begrüßen – beide ließen sich ihr Erstaunen über die geringe Zahl seines Gefolges nicht anmerken. Der Stallknecht eilte herbei. Yoshi saß auf der rechten Seite ab, weil es in China und daher auch hier üblich war.
»Willkommen, Herr Yoshi, im Namen Ihrer Britischen Majestät«, sagte Sir William. Tyrer übersetzte sofort und sehr sorgfältig.
»Danke. Ich hoffe, ich mache Ihnen keinerlei Unannehmlichkeiten«, sagte Yoshi, mit seinem Teil des Rituals beginnend.
»Nein, Sire, es ist uns eine Ehre. Sie bereiten uns ein großes, seltenes Vergnügen.« Yoshi bemerkte eine Verbesserung an Tyrers Akzent und Wortschatz und war nun noch entschlossener, den Verräter Hiraga zu neutralisieren, der sich, wie Inejin herausgefunden hatte, hinter dem Pseudonym Nakama verbarg. »Bitte, Herr Yoshi, wünschen Sie etwas Tee?«
Beide Männer hörten ihre eigenen bedeutungslosen Phrasen gar nicht, sondern konzentrierten sich aufeinander und suchten nach möglicherweise hilfreichen Hinweisen. »Ah, Seratar-donno«, sagte Yoshi scherzend, obwohl er gereizt war, weil er im Stehen zu ihnen aufblicken mußte und ihre Größe ihm ein Gefühl der Unterlegenheit gab. »Ich freue mich, Sie so bald wiederzusehen. Danke.« Er nickte André zu, dann Seratard, der sich förmlich verneigte. André übersetzte.
»Mein Master Seratard grüßt Sie, Sire, im Namen seines Freundes, des Kaisers der Furansu, Seiner Königlichen Hoheit Napoleon III. Er fühlt sich geehrt, Ihnen zu Diensten zu sein.«
In dem Augenblick, in dem Yoshi taikō Anjo verlassen hatte, hatte er Misamoto mit einem Brief zu Seratard geschickt, in dem er ihn fragte, ob er ein dringendes, offizielles, aber höchst vertrauliches Zusammentreffen mit Seratard, Sir William, dem Oberbefehlshaber der Flotte, dem Arzt von Kanagawa und den Dolmetschern André und Tyrer arrangieren könne – und mit niemandem sonst. Er würde ganz ohne Formalitäten und mit kleinstem Gefolge erscheinen und bat darum, das Zeremoniell auf ein Minimum zu beschränken.
»Was hat das zu bedeuten, Henri?« hatte Sir William gefragt, als Seratard zu ihm geeilt war, sobald André den Brief übersetzt hatte.
»Ich weiß nicht. Er ist ein beeindruckender Mann. Er war mehr als vier Stunden lang an Bord, also hatten wir Gelegenheit, ihn sorgfältig zu beobachten – möchten Sie vielleicht eine Kopie meines Berichts?«
»Danke«, hatte Sir William gesagt, überzeugt, daß aus dieser Abschrift alle interessanten Informationen entfernt sein würden – er würde schließlich dasselbe tun. Er war leicht erkältet und nieste. »Ich bitte um Entschuldigung.«
»Er ist Vormund des Erben, einer der Ältesten sowie Abkömmling einer alten japanischen Königsfamilie – sogar mit dem Mikado verwandt. Dieser Mann ist sehr wichtig im Shōgunat und hat äußerst gute Beziehungen. Warum treffen wir uns nicht mit ihm?«
»Das werde ich«, hatte Sir
Weitere Kostenlose Bücher