Noble House 02 - Gai-Jin
berichten, und als ich es tat, Ma’am, da zitterte ihr Kopf so, daß ihre Augäpfel kaum mithalten konnten, und ich dachte schon, die Medusa käme zurück. Aber das passierte nicht, diesmal nicht. Diesmal war das Satansfeuer beherrscht, es war zwar noch da, o ja, aber sie hatte es unter Kontrolle, sie behielt es für sich, obwohl ich verdammt… Verzeihung, obwohl ich ganz schön geschwitzt habe. Es paßt nicht zu einer Frau, so wütend zu sein, aber nach Tyler und Morgan ist leicht zu sehen, woher sie das hat.
Nachdem sie sich ein bißchen beruhigt hatte, sagte ich ihr, Tyler hätte schließlich Morgans Vorschlag zugestimmt, daß ich als Manager hierherkommen sollte, versuchsweise auf ein Jahr, unter allerhand Drohungen, falls meine Leistungen nicht gut wären. Sie fragte nach meinem Gehalt.
›Ausgezeichnet. In der Öffentlichkeit werden wir Feinde sein, insgeheim enge Verbündete, und wenn Brock and Sons für immer untergehen, worum ich zu Gott bete, wird Ihr Rothwell-Gornt an deren Stelle treten.‹ Das ist so ziemlich alles, Angélique, bis auf die Tatsache, daß sie Hoag hierher zurückgeschickt hat und Ihnen einen Brief schrieb.«
Er trank seinen Bourbon, der jetzt nicht mehr brannte. »Ich habe nicht gefragt, was darin stand, und Sie auch nicht verteidigt, ich habe nur immer wieder in verschiedener Form gesagt, wenn mein Plan ihr helfen würde, Brock’s zu zerstören, dann hätte sie das Ihnen zu verdanken. Was stand in ihrem Brief?«
Sie reichte ihn ihm.
»Viel Drumherum und wenig Klartext«, sagte er, als er ihn ihr zurückgab. »Das ist ihre erste Verhandlungsposition – und aus ihr geht klar hervor, daß ich meine Abmachung gehalten habe: Sie ist überzeugt, daß Sie auch Ihnen Dank schuldet. Sie werden gewinnen.«
»Was gewinnen? Keine gesetzlichen Scherereien?«
»Das und ein Einkommen. Sie gibt zu, daß sie in Ihrer Schuld steht.«
»Ja, aber nichts weiter, nur Drohungen.«
»Wir haben ein paar Trümpfe in der Hand.«
»Welche?« Draußen waren Stimmen zu hören.
»Zeit, Angélique, unter anderem. Heute abend werde ich Sie zu einem formlosen Nachtmahl einladen, dann können wir unbelauscht sprechen, und…«
»Nicht im Brock-Building, und nicht allein. Wir müssen vorsichtig sein«, sagte sie hastig. »Bitte, laden Sie Dimitri und Marlowe ein. Wir müssen sehr vorsichtig sein, Edward, so tun, als stünden wir uns nicht zu nahe – das würde diese Frau argwöhnisch machen, und sie wird zweifellos davon erfahren, Albert ist völlig auf ihrer Seite. Wenn wir heute abend nicht reden können, werde ich morgen um zehn einen Spaziergang machen, und wir können mit unserer Unterhaltung fortfahren…« Um der Umarmung zuvorzukommen, die sie herannahen fühlte, hatte sie ihm rasch die Hand gereicht und ihm überschwenglich gedankt.
Als sie wieder allein in ihrem Boudoir war, ließ sie ihre Gedanken schweifen. Welche Trümpfe? Welche Asse? Und warum dieses seltsame Lächeln? Was hat er wirklich mit Tess vereinbart? Verheimlicht er mir etwas? Es stimmt, aus ihrem Brief geht hervor, daß er sie von meiner Hilfe überzeugt hat, und das ist wichtig. Oder bin ich bloß übertrieben argwöhnisch? Hätte ich doch nur dort sein können!
Dann drängte sich die Frage, ob sie nun schwanger war oder nicht, wieder in den Vordergrund und quälte sie. Einmal hatte sie sie Babcott gegenüber erwähnt, der gesagt hatte: »Seien Sie geduldig, machen Sie sich keine Sorgen.« Einen Augenblick lang fragte sie sich, ob Babcott und Phillip Tyrer wieder aus dem Netz der Feinde herauskommen würden, in das sie, von Sir William geschickt, bereitwillig gegangen waren.
Ach, die Männer mit ihrem Gerede über Geduld, Verlogenheit und falsche Prioritäten, was wissen sie schon?
Yoshi war gereizt. Es war später Vormittag, er befand sich in seinen Gemächern in der Burg von Edo, und er hatte noch immer nicht gehört, wie die Untersuchung des taikō durch den Gai-Jin-Doktor verlaufen war. Als er gestern mit Babcott und Tyrer aus Kanagawa zurückgekehrt war, hatte er sie in einem der Paläste außerhalb der Burgmauern untergebracht, den er sorgfältig ausgewählt, mit Personal versehen und zur weiteren Sicherheit mit einem Ring zuverlässiger Wachen umgeben hatte. Dann hatte er sofort Anjo zur Untersuchung gebeten.
Der taikō war in einer geschlossenen Sänfte gekommen, beschützt von seiner eigenen Leibwache – der Versuch, ihn zu ermorden, war kaum hundert Meter von hier unternommen worden. Yoshi, begleitet von Babcott
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