Noble House 02 - Gai-Jin
Trotzdem ist er hier der einzige Mann, der bösartig genug ist, um sie zu bekämpfen. Edward wird sich gegen sie stellen, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Rothwell-Gornt will er nicht verlieren.
Sollte ich Edward veranlassen, sofort nach Hongkong zurückzukehren? Oder Hoag? Er ist ein Freund, eine Art Freund, und er ist derjenige, den sie zu mir geschickt hat. Oder André? Nein, ihn nicht, denn ich würde keinen Augenblick mehr schlafen, wenn ich wüßte, daß er in Hongkong bei dieser Frau ist, unbeobachtet.
Der Kirchgang war ein großer Erfolg, und das trotz ihrer Melancholie. Sie hatte sich wie gewöhnlich schwarz gekleidet, ein mittellanger Schleier bedeckte ihren Hut und ihr Gesicht. Mit dem Gebetbuch in der Hand hatte sie sich an diesem stürmischen Tag auf den Weg gemacht, und als sie auf der Promenade an der katholischen Kirche vorbeikam und sich der Menge anschloß, die unterwegs zur Holy Trinity war, den Pfad hinaufging, die Kirche betrat und sich in die leere hintere Reihe setzte, sofort niederkniete und zu beten begann, ging ein Murmeln durch das bereits halb gefüllte Kirchenschiff, das immer stärker wurde und sich durch die ganze Niederlassung und Drunk Town verbreitete.
»Allmächtiger, der Engel ist in die Kirche gegangen, unsere Kirche…«
»In die Holy Trinity? Donnerwetter, sie ist doch katholisch…«
»Donnerwetter oder nicht, sie ist drin, hell wie eine Beere, ganz in Rot und ohne Unterhosen…«
»Oh, um Gottes willen, verbreite bloß keine Gerüchte…«
»Holy Trinity? Heiliger Gott! Ist sie eine von uns geworden?«
»Der alte Tweet wird sich vor Freude in die Hosen machen…«
Maureen und Jamie waren nach ihr gekommen. Sie zögerten neben der letzten Reihe und wollten schon fragen, ob sie sich zu ihr setzen dürften, doch Angélique kniete noch immer wie im Gebet versunken und nahm sie nicht zur Kenntnis, obwohl sie ihre Anwesenheit bemerkt hatte. Sie beneidete Maureen nicht wenig um das fröhliche Grün ihres Kleides und Mantels und um den passenden Hut mit der gelben Chiffonschleife, die ihr bis auf den Rücken hing. Nach einem Augenblick gingen Jamie und Maureen weiter nach vorn, gedrängt von den Nachkommenden, da sie Angélique nicht stören wollten – und genau darauf hatte sie es angelegt. Nach ihrem anfänglichen leidenschaftlichen Dankgebet zur Mutter Gottes, bei dem sie um Kraft gefleht hatte, ihre große Enttäuschung zu überwinden, blieb sie auf Knien; das Polster war bequem, und im Schutz ihres Schleiers beobachtete sie mit großen Augen, was vor sich ging. Es war der erste protestantische Gottesdienst, den sie miterlebte.
Die Andacht war nicht so groß wie in ihrer eigenen Kirche, aber das Gebäude war voll, hier und da waren Kohlepfannen gegen die Feuchtigkeit aufgestellt, und alles, was gehen konnte, war gekommen. Die bunten Glasfenster waren üppig, Altar und Schmuck kahler, als sie erwartet hatte.
Es gab noch andere Leute, die gern stehengeblieben wären, um sie zu grüßen oder ihr zuzunicken – teilweise entzückt, teilweise verwirrt –, aber sie taten es nicht, da auch sie nicht stören wollten. Gornt nahm in der gegenüberliegenden Bankreihe Platz.
So ließ man sie in Ruhe, und bald begann der Gottesdienst. Beim ersten Lied tat sie es den anderen nach, stand auf, wenn sie aufstanden, setzte sich, wenn sie sich setzten, betete, wenn sie beteten, aber immer zur Mutter Gottes. Sie lauschte der Predigt, die Reverend Tweet, völlig verwirrt über ihre Anwesenheit, nur holpernd hielt. Weitere Hymnen und Gesänge, dann die Kollekte, bei der sie verlegen nach ein paar Münzen kramte, eine weitere Hymne, der Segen, und dann war es zur hörbaren Erleichterung aller vorbei.
Die Gemeinde stand auf, als der Reverend hinter einem angejahrten Kirchendiener in die Sakristei ging. Die meisten strebten dem Ausgang zu, bereit für das traditionelle sonntägliche Mittagessen, die beste Mahlzeit der Woche: Roastbeef, Yorkshire-Pudding und Röstkartoffeln für die Glücklichen, die sich ein Fleischstück aus der letzten Schiffslieferung leisten konnten.
Ein paar Leute blieben zu einem letzten Gebet zurück. Angélique betete um Vergebung, daß sie in diese Kirche gekommen war, aber sie vertraute auf das Verständnis der Mutter Gottes dafür, daß es sich nur um einen vorübergehenden, notwendigen Protest gegen Pater Leo handelte. Die Augen aller Hinausgehenden beobachteten sie. Dann schloß sie sich den letzten an, nickte und erwiderte gemurmelte Grüße mit einem
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