Noble House 02 - Gai-Jin
unseres. Uns geht das nichts mehr an.«
Am frühen Nachmittag kamen vier Bakufu-Häscher durch das Yoshiwara-Tor. Trotz des Wetters bewegte sich der traditionelle, gemächliche Zug der Kurtisanen, begleitet von Zofen, auf und ab, um ihren Putz einander und den Gruppen von Gai-Jin vorzuführen, die in den Cafés und im Teehaus saßen und tranken und Stielaugen machten; wenn der Wind ein paar dekorative Schirme in die Luft entführte, lachten sie.
Von Zeit zu Zeit trat einer der Häscher zum Türsteher einer Herberge oder zum Chef eines Teehauses. Sofort verneigte sich die betreffende Person unterwürfig und versicherte: »Nein, Herr, der Verräter Hiraga ist nicht gesehen worden, nein, Herr, danke, Herr, jawohl, sofort, Herr, nein, ich kenne ihn nicht, Herr.«
Fast jeder wußte, wo er war, aber sie wahrten ihr Schweigen. Sie haßten die Häscher und wußten, daß keine Belohnung groß genug war, um der Rache der Shishi und dem Abscheu der Schwimmenden Welt nach einem Verrat zu entgehen. In dieser Welt waren Geheimnisse Würze des Lebens und steigerten die Erregung des Tages.
Schließlich bogen die Häscher in die Gasse zur Herberge ›Zu den drei Karpfen‹ ein und hämmerten an das Tor im Zaun.
Hiraga saß in der Falle. Er befand sich auf der anderen Seite des Tors, weil er hier eilig zu entkommen hoffte, da der andere Ausgang blockiert war.
Immer wenn Patrouillen in der Nähe waren, wurde er von Spähern rechtzeitig gewarnt und konnte in sein unterirdisches Versteck im Tunnel fliehen, wo er jetzt ein primitives Bett, Kerzen, Streichhölzer, Nahrung, Schwerter, Pistole und Katsumatas Sprengstoff hatte. Heute, als der Alarm ihn erreichte, entdeckte Hiraga andere Samurai, die den Garten durchsuchten, so daß er keine Möglichkeit hatte, den Brunnen zu erreichen.
In Panik eilte er zum Küchenbereich und hatte gerade noch Zeit, eine dort versteckte Verkleidung anzulegen, die Katsumata ihm gegeben hatte, bis in einigen Metern Entfernung, durch eine Hecke verdeckt, der Anführer der Häscher, ein Feldwebel, an einem sich verneigenden Türsteher vorbeieilte, die Sandalen von den Füßen schleuderte und auf die Veranda des Haupthauses stapfte.
Raiko, die nicht wußte, daß Hiraga sein Versteck nicht erreicht hatte, kam heraus, um den Feldwebel zu begrüßen, kniete nieder und verneigte sich mit liebenswürdiger Miene.
Innerlich zitterte sie, denn dies war bereits der dritte Tag, an dem sie zu Durchsuchungen kamen. »Guten Tag, Herr, bedaure sehr, die Damen ruhen und sind nicht bereit, Kunden zu empfangen.«
»Ich möchte eine Durchsuchung durchführen.«
»Mit Vergnügen. Bitte, folgen Sie mir.«
»Gehen Sie zur Küche.«
»Küche? Bitte, bitte folgen Sie mir.« Freundlich ging sie voran. Als sie Hiraga mit gesenktem Kopf unter einem Dutzend Köchen und Arbeitern entdeckte, blieb ihr Herz stehen.
Hiraga starrte vor Schmutz, sein Kopf war von der verfilzten Perücke bedeckt, die Katsumata in Hodogaya getragen hatte, und bis auf ein fleckiges Lendentuch und ein zerfetztes Unterhemd war er nackt. »Binde dir einen Kieselstein unter den Fußrist, Hiraga«, hatte Katsumata geraten. »Dein Gang verrät dich genauso wie dein Gesicht; schmier dir Dreck in Gesicht und Achselhöhlen, noch besser Dung, und gib dich als Tellerwäscher aus, spiel nicht, sei einer. In der Zwischenzeit fertigst du Brandsätze an, bringst das auch Takeda bei und hältst dich für meine Rückkehr bereit…«
Der Feldwebel mit dem wettergegerbten Gesicht stand mit in die Hüften gestemmten Fäusten schweigend da und sah sich um. Genau. Jede Ecke, jeder Schrank, jeder Lagerraum wurde untersucht. Reihen von seltenen Gewürzen, Tees, Sakéfässern und Flaschen mit Gai-Jin-Schnaps, Säcke mit feinstem Reis. Er knurrte, um seinen Neid zu verbergen.
»Du! Chefkoch!« Der beleibte, erschrockene Mann hob den Kopf. »Da hinüber! In einer Reihe aufstellen, ihr alle.« In ihrer Eile, ihm zu gehorchen, stolperten die Männer übereinander. Stark hinkend schob Hiraga sich in die Reihe. Flüche murmelnd starrte der Samurai jeden Mann durchdringend an, während er die Reihe entlangging. Als er zu Hiraga kam, krauste er angewidert über den Gestank die Nase. Dann ging er zum nächsten Mann weiter, zum übernächsten, wieder zum nächsten, und schließlich machte er seiner angestauten Wut Luft, indem er den letzten Mann in der Reihe anschrie. Dieser sackte vor Schreck erstarrt in sich zusammen. Dann stapfte der Feldwebel wieder zurück und baute sich
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