Noch ein Tag und eine Nacht
Hotel, dann holte ich sie ab. Vor dem Hotel traf ich Alfred, der mir für den üblichen Dollar einen weiteren Witz erzählte, mal einen, den ich verstand: »Ein Mann geht zu seiner Ärztin und sagt: ›Entschuldigung, Frau Doktor, ich habe da ein Problem. Ich hab immer einen Steifen, vierundzwanzig Stunden am Tag, hätten Sie nicht was für mich?‹ Die Ärztin strahlt ihn an und antwortet: ›Freie Kost und Logis und tausend Dollar monatlich…‹«
Michela führte mich in ein Geschäft mit Theke, wo es Wolle und Strickutensilien zu kaufen gab und wo man auch essen konnte. Im Grunde ist es ein Laden, wo die Leute an Tischen sitzen und stricken. Sie trinken, essen, unterhalten sich, und unterdessen stricken sie einen Pullover oder einen Schal. Auch Männer sind dabei, die klappern mit den Nadeln wie alte Jungfern. Der Laden heißt The Point und liegt in der Bedford Street.
Ich musste an Oma denken: Sie strickte so viel, dass ich sie irgendwann fragte, ob sie es mir beibringen könne, und ein bisschen habe ich es sogar gelernt.
Auf einem Tischchen lagen zwei Nadeln mit einem angefangenen Pulli, wer wollte, konnte weiterstricken. Als ich Michela erzählte, ich könne stricken, nötigte sie mich, ein Stück anzufügen. Ich war langsam, aber ich wusste noch, wie es ging. Dann setzten wir uns und aßen.
»Was hast du unternommen?«
»Ich war im Kino.«
»Wenn du magst, nehme ich mir einen der nächsten Tage frei, und wir laufen zusammen durch die Stadt. Hast du Lust?«
»Natürlich, ich bin doch deinetwegen hier.«
»Es gefällt mir, wenn du das sagst.«
Während wir einen Bagle with cream cheese and tomato aßen, erläuterte sie mir ihren Vorschlag.
»Wir haben uns doch neulich darüber unterhalten, dass, immer wenn du einfach nur mit einer Frau eine Affäre haben willst, sie sich in dich verliebt und sie umgekehrt Reißaus nimmt, wenn du gern mit ihr zusammen bist und ihr das sagst, weißt du noch?«
»Ja, klar. Das Problem des Jahrhunderts.«
»Und du hast gesagt, dass du dich oft zurückhältst, weil es passieren kann, dass sie es missverstehen, wenn du dich gehenlässt, stimmt’s?«
»Ja, ich erinnere mich.«
»Also, gestern Abend habe ich mich mit dir sehr wohl gefühlt, obwohl – eigentlich habe ich mich schon immer sehr wohl mit dir gefühlt. So absurd es klingt, sogar schon ehe ich dich kennenlernte, seit wir uns in der Straßenbahn begegnet sind.«
»Das gilt genauso für mich.«
»Dann mache ich dir einen Vorschlag.«
»Da bin ich ja gespannt.«
»Eigentlich ist es eher ein Spiel. Spielst du gern?«
»Ja… das heißt, kommt drauf an.«
»Wie lange bleibst du in New York?«
»Noch neun Tage oder so.«
»Gut. Damit keiner von uns sich zurückhalten muss oder wegen der Aufmerksamkeiten des anderen Angst kriegt, habe ich mir was überlegt.«
»Dann schieß mal los.«
»Dass wir uns verloben.«
»Verloben? Wie meinst du das?«
»Für die Zeit, die uns bleibt. Ich schlage vor, wir spielen Verlobte, und in neun Tagen trennen wir uns, egal wie es gelaufen ist. Eine Verlobung auf Zeit. Mit Verfallsdatum, ganz groß auf der Verpackung.«
»Eine Verlobung auf Zeit?«
»Ja, wir verloben uns, beschließen aber schon jetzt, dass wir uns trennen werden, komme, was da wolle. Solange du noch hier in New York bist, sehen wir uns und tun alles, wonach uns ist, und nach Ablauf des neunten Tages, wenn du abreist, trennen wir uns. Dann gibt es keine Missverständnisse. Du sehnst dich danach, hast du gesagt, eine Frau zu lieben, dich gehenzulassen, ihr Blumen zu schenken, Gedichte zu schreiben, aber du tust es nicht, weil du Angst hast, du könntest falsche Hoffnungen wecken und dann deine Meinung ändern… Ich für mein Teil nehme all das gern an, wenn du es mir geben möchtest, und umgekehrt, wenn ich es dir geben möchte, dann will ich das auch tun können. Da wir nun schon mal hier sind und es uns gefällt, warum nur zusammen ins Restaurant und ins Bett gehen? Nutzen wir doch lieber alle Möglichkeiten, unsere Gefühle auszuleben. Ein albernes Spiel, okay, aber vielleicht macht es ja Spaß, wer weiß? Warst du je mit einer Frau zusammen und wusstest schon, wann Schluss sein würde? Es ist ein Mittelding, weder nur miteinander schlafen und sonst nichts noch der Liebesschwur auf immer und ewig. Ein dritter Weg des Zusammenseins. Was hältst du davon? Lass es uns versuchen. Was haben wir zu verlieren? Lass uns schauen, ob’s funktioniert, ob wir uns genug sein und uns all das nehmen können, was
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