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Noch ein Tag und eine Nacht

Noch ein Tag und eine Nacht

Titel: Noch ein Tag und eine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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hingeben, keine Worte, Gesten und Aufmerksamkeiten abwägen müssen. Mich nicht zurückhalten müssen. Wollte die Freiheit zu sein, wie ich wollte. Ohne die Angst, jemanden zu enttäuschen, ohne die Angst, Reißaus nehmen zu müssen. Michela war dafür genau die Richtige. Es war seltsam, aber durch dieses Spiel konnte ich nicht falsch verstanden werden, und ich musste keine Versprechungen machen.
    Insgeheim beruhigte mich die Vorstellung, dass diese Geschichte in jedem Fall nur neun Tage dauern würde, egal wie sie lief. Jeder von uns begegnet mindestens einmal im Leben einem Menschen, bei dem er sofort Vertrautheit und Nähe empfindet. Der die gleiche Sprache spricht. Der alles einfacher macht. Dass Michela für mich dieser Mensch war, hatte ich schon am ersten Abend gemerkt, als ich ihr sagte, ich hätte noch nie etwas ähnlich Tollkühnes für eine Frau getan. Schon als ich diesen Satz aussprach, war mir bewusst geworden, dass ich auch hätte schweigen können, dass er überflüssig war, weil das zwischen uns keiner Erklärungen bedurfte.
    Ich schickte ihr eine SMS : »Ab sofort sind wir verlobt. Das Spiel kann beginnen.«

Die Regeln
    Noch am selben Abend ging ich mit meiner Verlobten essen. Michela führte mich ins Lucky Strike auf der Grand Street. Wir sprachen über das Spiel und darüber, dass es vielleicht Regeln bräuchte. Wir nahmen es leicht und lustig und dachten uns ein paar aus:
    In diesen neun Tagen verspricht jeder, das zu tun, wonach ihm ist. Alles, was man erlebt, wird geteilt, weil es beiden gehört.
    Wenn einer etwas tut, das der andere nicht gut findet, muss er es sofort sagen. Kein Taktieren. Beide sind frei.
    Es ist verboten, »für immer und ewig« zu sagen. Für immer und ewig ist eine Illusion, zu bequem. »Jetzt« ist besser.
    Es ist verboten, ein Gefühl zu unterdrücken oder sich zurückzuhalten: Egal wie es läuft, in neun Tagen trennen wir uns.
    Es ist verboten zu sagen, wie man ist, das müssen wir im Zusammensein herausfinden. Am Anfang des Spiels sind wir jungfräulich, als würden wir uns zum ersten Mal begegnen. Da jeder Mensch, mit dem wir zusammen sind, wie ein Spiegel ist, der uns ein sich dauernd veränderndes Bild unserer selbst vorhält, das wir häufig noch gar nicht kennen, leben wir diese Begegnung ohne den Ballast dessen, was wir gewesen sind. Als wären wir bei einem Picknick. Zu einem Picknick nimmt man ja auch nicht Sofa, Küche, Bett und die ganze Wohnungseinrichtung mit. Wir werden federleicht. Manchmal hat man nur eine vage Vorstellung von sich selbst. Oft kennt man sich nicht, man entwirft ein Bild von sich selbst, wie man sich sieht und wahrnimmt. Wir werden uns im Zusammensein begreifen.
    »Ich glaube, ich bin schon mittendrin in unserem Spiel, denn wenn du sagst, dass wir uns trennen werden, egal wie es läuft, tut’s weh«, sagte ich.
    »Stimmt. Aber es beruhigt.«
    »Wie bist du eigentlich auf diesen Blödsinn gekommen?«
    »Es tat mir leid, als du heute Morgen meintest, du hättest Angst gehabt, mir Blumen zu kaufen, weil du es übertrieben fandst. So ist alles klar, und es gibt keine Probleme.«
    »Richtig. Es ist zwar Blödsinn, aber möglicherweise funktioniert es trotzdem. Und wie bist du darauf gekommen?«
    »Da die Verlobung, die Bindung, das Paarsein unsere Krankheit ist, wollte ich mal die homöopathische Methode anwenden. Weißt du, was ich meine?«
    »Erklär’s mir.«
    »Die homöopathische Methode besteht bekanntlich darin, dem Organismus eine winzige Dosis der Substanz einzugeben, die ein bestimmtes Problem verursacht. Wer unter Schlaflosigkeit leidet, bekommt Kügelchen mit einer winzigen Dosis Koffein. Damit soll der Organismus angeregt werden, zu reagieren und sich zu verteidigen.«
    »Aha, und damit man von der Verlobung geheilt wird, geben wir unserem Leben eine winzige Dosis davon ein, eine Miniverlobung.«
    »Genau. Heute in der Kaffeepause habe ich in einer Zeitung ein Interview mit einem Todkranken gelesen. Seit er erfahren hat, dass ihm nur noch wenige Monate bleiben, erlebt er alles viel intensiver. Das Bewusstsein des nahen Endes hat ihn veranlasst, jedem winzigen Augenblick des Lebens, jeder noch so kleinen Regung Aufmerksamkeit zu schenken. Oft lebt man ja, als würde alles ewig dauern, und vergisst die Augenblicke. Die Artikelüberschrift lautete: Auf der fröhlichen Suche nach Gefühlen. Durch den Satz ›Für immer und ewig‹ macht man in Paarbeziehungen die einzelnen Augenblicke vergessen, alles wird zur Gewohnheit. Eine

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