Noch ein Tag und eine Nacht
sich auszudrücken. Auch wenn wir wussten, dass es im Grunde ein Bedürfnis war, wollten wir doch trotzdem auf spielerische Weise damit umgehen. Wie nie zuvor fühlte ich mich von der Freude, Liebe zu schenken, erfüllt.
…was du gibst, ist für immer dein…
Aber die Zeit lief ab, nur noch zwei Tage, dann war es mit meiner Freundin beziehungsweise meiner Frau Michela vorbei.
Unversehens hatte sich meine Einstellung grundlegend verändert. Alles, was ich früher abschreckend fand, hätte ich jetzt nur allzu gern behalten. Plötzlich war mir der Gedanke, dass Michela bald meine Ex sein würde, unerträglich. Als ich gerade eine SMS schreiben wollte, um ihr noch einmal zu sagen, wie umwerfend ich sie fand, kam eine SMS von ihr.
»Danke für den Seifenhalter… Du bist umwerfend.«
Sie hatte mir die Worte aus der Hand genommen.
Game over (-1)
Am nächsten Morgen gegen acht schlief ich noch und hatte einen absurden Traum: Ich war zum Essen bei der zweiten Frau meines Vaters, Elena war auch da. Niemand sagte etwas. Sie machten den Gefrierschrank auf, holten einen Behälter mit Minestrone heraus und füllten sie in einen Topf. Dabei führten sie alle Bewegungen so langsam und vorsichtig aus, als hätten sie teure Kristallgegenstände in der Hand. Sie wärmten die Minestrone auf und sagten, diese Minestrone habe Pier Paolo Pasolini kurz vor seinem Tod gekocht. »Als wir erfuhren, dass er umgebracht worden war, haben wir sie eingefroren. Das ist das Letzte, was er vor seinem Tod gemacht hat, mit seinen eigenen Händen.« Ich erinnere mich noch, dass sie mir, als ich den ersten Löffel kostete, sehr gut schmeckte und dass mir dabei die Tränen kamen.
»Sehr gut… aber mir kommen die Tränen.«
»Das ist normal, denn…«
DRIIIIING ! Das Telefon auf dem Nachttisch weckte mich.
»Hallo?«
»Ich bin’s, Silvia.«
»Wie spät ist es denn?«
»Hier ist es zwei Uhr nachmittags, bei dir müsste es also acht Uhr morgens sein.«
»Acht Uhr… du hast sie wohl nicht mehr alle…«
»Pass auf, ich muss dir etwas Wichtiges sagen.«
»Was denn?« Ich war noch nicht richtig wach, wahrscheinlich war ich kaum zu verstehen.
»Deine Großmutter ist im Krankenhaus, ein Notfall, seit heute Morgen.«
Jetzt war ich hellwach.
»Was ist passiert, ist es schlimm?«
»Keine Ahnung. Deine Mutter hat angerufen und mich gebeten, dir Bescheid zu sagen. Dein Handy war aus, und sie konnte dich nicht erreichen. Hast du ihr etwa nicht die neue Nummer gegeben?«
»Hab ich ganz vergessen.«
»Ruf sie an… wir telefonieren später.«
Ich setzte mich auf, rieb mir das Gesicht und rief meine Mutter an.
»Was ist denn passiert?«
»Oma ging es schlecht. Wir haben sie ins Krankenhaus gebracht. Die Ärzte sagen, vielleicht erholt sie sich wieder wie die letzten Male, vielleicht aber auch nicht. Du weißt ja, in diesem Alter kann es jeden Augenblick so weit sein.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Das war ein heikles Thema, und dann noch mit meiner Mutter.
»Du kannst auch dableiben, das musst du selber wissen. Ich wollte nur, dass du Bescheid weißt.«
Dieser Satz war typisch für meine Mutter: »Du kannst auch bleiben, das musst du selber wissen.«
»Alles klar… ich ruf später wieder an.« Ich legte auf.
Was für ein böses Erwachen. Erst meine Oma im Krankenhaus und dann noch meine Mutter, die mir eigentlich sagen wollte, du musst sofort kommen, es dann aber doch nicht über sich brachte.
Es war acht Uhr morgens. Mein Rückflug nach Italien sollte am Abend des nächsten Tages gehen. Ich war unschlüssig: Soll ich früher zurückfliegen? Oder bis morgen warten?
Ein, zwei Tage früher oder später, was würde das schon ändern.
»Du weißt ja, in diesem Alter kann es jeden Augenblick so weit sein.«
Was für ein Scheißsatz! Aber es stimmte. Bei einer Woche hätte ich meine Abreise sofort vorverlegt, aber wegen einem Tag…
Ich stand auf. Ich war nervös. Ich schaltete das Handy ein. Als Erstes musste ich in Erfahrung bringen, ob es an diesem Tag überhaupt noch einen freien Platz im Flugzeug gab. Die Fluggesellschaft teilte mir mit, es wären noch zwei Plätze frei, das Umbuchen würde nur fünfzig Dollar kosten. Um neun rief ich Michela an und schilderte ihr die Lage. Sie empfahl mir, umzubuchen und sofort abzureisen. Aber ich war immer noch unschlüssig. Nur noch ein Tag, dann wäre unsere Geschichte sowieso zu Ende. Schließlich rief ich die Fluggesellschaft an und buchte um. In der Zwischenzeit war Michela bei
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