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Noch ein Tag und eine Nacht

Noch ein Tag und eine Nacht

Titel: Noch ein Tag und eine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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denen einige auch Stacheln hatten. Es war heiß, die Sonne brannte, kein Laut war zu hören. Ich drehte mich um und schaute zum Meer. Es war ruhig. Am Strand waren ein paar Sonnenschirme aufgespannt, aber viele Leute waren zum Essen gegangen oder machten zu Hause ein Nickerchen. Als ich kam, lag sie auf der Hollywoodschaukel und wartete auf mich. Ich setzte mich zu ihr und legte ihren Kopf auf meine Beine, schweigend, mir fehlte die Kraft zu sprechen, und die Stille genießen konnten wir auch nicht, schließlich waren wir fast noch Kinder. Wenigstens äußerlich, denn ich dachte nur daran, dass ich mit ihr schlafen wollte. Eine Weile streichelten wir uns, dann gingen wir unter dem Vorwand, dass es draußen zu heiß sei, ins Schlafzimmer.
    Die Fensterläden waren halb geschlossen. Ich erinnere mich an die Stille, man hörte nur das Schaben der Zikaden. Der Geruch nach Meer, ein schmaler Lichtstreifen im sonst dunklen Zimmer. Ich erinnere mich an die heißen, verschwitzten Körper, die Laken, die wegen der Feuchtigkeit an einem klebten. Ihre Haut, ihr erschrockener Blick, als ich in sie einzudringen versuchte. Die Küsse. Der Wunsch, uns ewige Liebe zu schwören. Ich dachte wirklich, ich würde Laura nie verlassen und sie wäre die Frau meines Lebens. Ich konnte mir nicht vorstellen, jemals eine andere zu wollen. Damals war ich monogam, in jeder Hinsicht. Später wurde ich dann emotional monogam, aber nicht physisch. Soll heißen, sexuell bin ich nicht monogam, gefühlsmäßig aber schon. Ich kann mit mehreren Frauen schlafen, aber nur eine lieben.
    Damals, als ich mit Laura zusammen war, war der Gedanke an andere Mädchen für mich unvorstellbar. Keine Ahnung, wodurch sich das später geändert hat.
    Dieses Übermaß an Schönheit und Lebenskraft an jenem Nachmittag am Meer erschütterte mich. Noch ein Tropfen Glückseligkeit, und ich wäre explodiert. Als der Sommer zu Ende war, dachte ich, ohne sie müsste ich sterben. Am letzten Tag weinten wir und versprachen uns, jeden Tag zu schreiben. Damals gab es noch keine Handys, auch keine E-Mail. Aber wir haben es nie gemacht. Das Leben außerhalb der Sommerferien war einfach eine andere Sache. Es lenkte von dieser Liebe ab. Ich hatte ein bisschen Angst davor, dass sie im Lauf des Schuljahrs einen anderen finden könnte. Und so war es auch: Sie tat sich mit einem zusammen, der die Ferien am gleichen Ort verbrachte wie wir, doch zu meinem Pech wohnte er in derselben Stadt wie sie. Auch er hatte sich um sie bemüht, aber sie hatte stets mir den Vorzug gegeben. Doch in jenem Jahr änderte sich das. Ich kann mich nicht erinnern, wegen einer Frau je wieder so gelitten zu haben. Als sie in unserem Urlaubsort ankamen, wo ich normalerweise ihr Freund war, traute sie sich nicht, mir die Wahrheit zu sagen. Sie sagte nur, sie wolle nicht mehr mit mir gehen, zwischen uns sei es aus und sie liebe mich nicht mehr. Da ich schon den Verdacht hatte, dass sie mit dem anderen zusammen war, sagte ich: »Ich weiß, dass da was läuft.«
    Im Lauf der Jahre brachte ich es mit diesem »Ich weiß, dass da was läuft« zu einer gewissen Meisterschaft. Eine gute Methode, den anderen dazu zu bringen, einen Verdacht zu bestätigen, indem man so tut, als wüsste man schon alles. Mit den Jahren habe ich die Methode verfeinert und auch den Namen desjenigen eingebaut, von dem ich davon erfahren hatte. Trotzdem fällt es mir nicht immer leicht, die Antwort zu ertragen. Ein »Ich weiß, dass da was läuft« hinzuwerfen ist riskant, ein echter Bluff, man muss dabei seinen Gesichtsausdruck unter Kontrolle haben. Wenn sich der Verdacht bestätigt, darf man keine Miene verziehen. Genau wie beim Bluffen im Kartenspiel.
    Wie dem auch sei, bei Laura funktionierte es, und ich fand alles heraus. Es war ein ganz schöner Schlag. Ich musste mich damit abfinden, dass mit ihr nichts mehr lief, und tat mich aus Rache mit einer ihrer Freundinnen zusammen, von der ich wusste, dass sie seit Jahren in mich verliebt war. Als Laura uns zusammen sah, wurde sie stinksauer, und eine Zeitlang redeten wir kein Wort mehr miteinander. Eines Tages jedoch beschlossen wir, uns auszusprechen, und verabredeten uns, was unsere jeweiligen Partner in Aufruhr versetzte. Laura gestand mir, dass sie, wenn ich mich von meiner Freundin trennen würde, sofort ihren Freund verlassen und wieder mit mir gehen würde. Ich lehnte ab.
    Ich war im Begriff, in mein altes Leben zurückzukehren. Mit einer Erfahrung, wie ich sie nie zuvor gemacht hatte. Mit

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