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Noch einmal leben

Noch einmal leben

Titel: Noch einmal leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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versuchen?“
    „Ja, gern.“
    Sie traten näher. Man konnte mit Bargeld bezahlen, und die meisten taten das auch. Aber natürlich besaß Elena kein Bargeld bis auf das Souvenir, das zwischen ihren Brüsten eingepackt war. Noyes verschaffte ihr mit einem Daumendruck das nötige Spielkapital. Das Spiel war ziemlich knifflig, und Noyes verstand den Mechanismus selber kaum. Die, die um ihn herum standen, konnten erst recht keine Ahnung davon haben. Im Zentrum der Spielfläche lag ein Etwas, das wohl ein Poloniumblock zu sein schien. Daneben befand sich ein merkwürdig verzierter Gamma-Detektor, aus dem eine Reihe Röhren und Pipetten hervorragten, in denen schillernde, farbige Flüssigkeiten schwammen. Türkis brachte einen Gewinn von drei zu eins, Karminrot fünf zu eins und ein gelber Streifen in Schwarz zehn zu eins. Der Ausrufer schrie immer wieder dasselbe im gleichen Rhythmus. Die Poloniumatome spien ihre Partikel aus, die Lichter gingen an und erloschen wieder; die Menge kam ganz nahe heran. Eine Glocke ertönte, ein Bon fiel aus einem Trichter.
    „Du hast zehn Dollar gewonnen“, sagte Noyes.
    „Super! Ich möchte nochmal spielen.“
    „Es gibt doch noch so viel andere Sachen zu sehen“, erinnerte er sie.
    Sie zogen weiter. In einer Wahrsagerbude prophezeite eine gespenstisch gekleidete Gestalt ihnen ein langes Leben und reichlich Nachwuchs. Dann sah der Prophet Noyes verschlagen an und fügte hinzu: „Sie werden viele Wiedergeburten haben.“ Noyes drückte wieder seinen Daumen auf die entsprechende Platte und bereicherte das Konto des Wahrsagers um einen Dollar.
    „Woher wußte er, daß unsere Bewußtseine aufgezeichnet sind?“ fragte Elena.
    „Er hat es geraten. Er sah, wie gut wir gekleidet waren, und hielt uns deshalb gleich für Reiche. Und Reiche pflegen sich nun einmal bei den Scheffing-Leuten aufzeichnen zu lassen. Davon abgesehen ist es ja doch bloß Schmeichelei, uns Wiedergeburten zu wünschen, selbst wenn wir nicht der Klasse angehörten, die sich so etwas erlauben kann.“
    „Vielleicht hat er uns ja auch erkannt“, warf Elena ein.
    „Das bezweifle ich.“
    „Ich möchte trotzdem lieber eine Maske haben.“
    Viele Glückssuchende waren maskiert, besonders die Frauen. Mädchen liefen nackt bis zu den Hüften herum und trugen selbst dort nur schwarzweiß gemusterte Streifen. Auf Elenas Beharren hin führte Noyes sie zu einem Maskenverkaufsstand und erwarb für sie eine Larve: ein dunkles Band aus pseudolebendem Glas, das sich weich und zärtlich auf ihr Gesicht legte und wie eine Schlange von einem Ohr zum anderen kroch. Beide lachten. Elena zog ihn an sich heran und küßte ihn flüchtig auf die Lippen. „Kauf dir doch auch eine Maske“, sagte sie.
    Das tat er auch. Vor den Blicken der Neugierigen verborgen zogen sie durch eine Galerie, aus einer plötzlichen Laune heraus fuhren sie dann mit dem Aufzug in die darunterliegende Ebene. Noyes fühlte sich gelöst und gespannt. Kravchenko schien in seinem Kopf endlich einmal zu schlafen. Elena, die warm und aufregend an seinem Arm hing, schien mögliche Ekstasen zu versprechen. Der Abend nahm nach einem schlechten Start doch noch einen guten Verlauf. Die überschwengliche Atmosphäre von Jubilisle hatte seine gewohnte Melancholie durchbrochen. Dennoch trieb sein memento mori ständig gefährlich nahe unter der Oberfläche. Sie blieben unter einer verdeckten Arkade stehen und umarmten sich. Noyes preßte Elena so fest an sich, daß die weiche Spitze ihrer linken Brust die harte Giftampulle spürte, die er ständig bei sich trug. Als sie wieder voneinander abließen, berührte sie die betroffene Brust zärtlich und sagte: „Du hast mir wehgetan. Da steckt etwas in deiner Brusttasche …“
    „Tut mir leid. Ich habe nicht daran gedacht, daß du sie spüren könntest.“
    „Was hast du denn da? Eine Gravitationsbombe?“
    „Nur eine Giftampulle“, erklärte er ihr freundlich. „Falls mich einmal die Lust am Selbstmord befallen sollte.“
    Natürlich schenkte sie seinen Worten keinen Glauben und überschüttete ihn daher mit einer Kaskade silberhellen Lachens.
    Ein grell flackerndes Schild verkündete: WILLKOMMEN IM HAUS DES HALBLEBENS.
    „Was mag das denn sein?“, fragte sie. „Noch mehr radioaktive Spiele?“
    „Ich habe keine Ahnung. Sollen wir mal reinschauen?“
    Sie traten ein. Jeder von ihnen mußte einen Dollar entrichten. Recht schnell hatten sie herausgefunden, daß das Haus des Halblebens keine Neutronen- und

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