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Noch einmal leben

Noch einmal leben

Titel: Noch einmal leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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gescheffelt, um den ganzen Clan in Saus und Braus leben zu lassen. Der Status ist es, der bei euch zählt. Und den habt ihr, noch bevor ihr überhaupt flügge geworden seid. Also beschäftigt ihr euch euer ganzes Leben lang mit byzantinischen Intrigen, um euch davor zu bewahren, vor Langeweile verrückt zu werden. Und die Wiedergeburt macht das ganze Spielchen noch interessanter. Ihr könnt euch in den Generationen hin- und herbewegen, alte Wunden wieder aufreißen, uralte Fehden austragen, euch gegenseitig Narben zufügen und Sex als Druckmittel einsetzen.“ Roditis Augen blitzten auf. „Ich will dir mal was sagen, Charles: Ich bin ein wirklicher Byzantiner, ich bin dort geboren worden. Ich intrigiere nicht, um des Intrigierens willen. Ich will damit etwas Nützliches erreichen. Und während der ganze Haufen von euch pausenlos damit beschäftigt ist, sich gegenseitig einen Dolch in den Rücken zu stoßen oder die Augen auszukratzen, steuere ich direkt auf etwas zu, um es ganz zu übernehmen. Genauso wie meine Vorfahren zielstrebig Rom ansteuerten und schließlich das ganze Weltreich übernommen haben. Schritt für Schritt wurde Griechisch zur Sprache des römischen Imperiums. Erinnerst du dich? So und nicht anders arbeitet ein Byzantiner. Du wirst es erleben.“
    „Ich habe mich immer bemüht, deine Schritte zu verfolgen, John.“
    „Gut, dann stellen wir später mal fest, was Elenas Gespräch mit Santoliquido erbracht hat. Vorher wollen wir aber Sport treiben.“
    „Ich bin noch etwas müde, John. Der Flug von New York …“
    „Komm, wir wollen ein wenig Sport treiben“, wiederholte Roditis. „Wenn du fit wärst, hätte so etwas Unbedeutendes wie ein Flug von New York dich nicht auslaugen können.“
    Sie traten ins Haus, gingen durch Korridore, deren Wände mit weißen Stuckarbeiten versehen waren und stiegen schließlich in den kühlen Keller hinunter, wo Roditis sein Fitness-Studio eingerichtet hatte. Stillschweigend drehte der Grieche an einem Gerät und erhöhte die Schwerkraft um zehn Prozent. Noyes gegenüber war das unfair, aber Roditis scherte das wenig. Er hatte keine Lust, seinen heutigen Frühsport unter Bedingungen stattfinden zu lassen, die ihn nicht oder kaum forderten. Normalerweise erhöhte er die Schwerkraft ohnehin um zwanzig Prozent. Und wenn er sich geärgert hatte, trainierte er manchmal sogar unter doppelter Schwerkraft, die jede Faser zum Zerreißen gespannt und Herz, Lunge und Muskeln bis zu ihrer Leistungsgrenze getrieben hatte, bloß um seine Bestleistung um einen weiteren Bruchteil zu verbessern.
    Roditis entkleidete sich und sagte: „Möchtest du ein Mantra der Anstrengung aufsagen, Charles?“
    „Ich weiß nicht, ob es dafür überhaupt eines gibt.“
    „Sag doch ein bis zwei religiöse Sprüche auf, bevor du dich ausziehst.“
    „Wenn man durch die Macht eines bösen Karmas Unheil erfährt“, rezitierte Noyes, „mögen die Schutzgötter das Unheil vertreiben. Wenn der natürliche Klang der Wirklichkeit wie tausend Donnerschläge widerhallt, mögen sie in den Klang der Sechs Silben umgewandelt werden.“
    „Om mani padme hum“, rülpste Roditis. „Verzeihung.“
    „Für dich ist das alles der reine Blödsinn, nicht wahr, John?“
    „Der westliche Buddhismus? Nun, er hat sich auch seine Berechtigung. Ich habe die Künste des rechten Sterbens studiert, mußt du wissen. Ich habe vor, ein allseitig vorbereitetes Bewußtsein für meinen Ausflug in die nächste Fleischwerdung zu hinterlassen.“
    „Wie wird es wohl sein, als Passagier im Gehirn eines anderen zu sitzen, frage ich mich?“
    Roditis sah Noyes direkt ins Gesicht. „Ich bleibe nicht lange Passagier, Charles. Darüber muß man sich natürlich vorher im klaren sein. Ich spiele immer und zu jeder Zeit um alles oder nichts. Wenn ich mich als Dybbuk nicht durchsetzen kann, dann habe ich mein Recht verwirkt, wiedergeboren zu werden.“
    „Der Mann, der dein Bewußtsein nimmt, tut mir jetzt schon leid.“ „Wieso, er soll es ja nicht schlecht haben. Er ist nur nicht mehr der Chef in seinem Körper, das ist alles.“ Roditis brach in schallendes Gelächter aus. „Aber das dauert noch seine sechzig, siebzig Jährchen. Und jetzt im Moment sind wir hier, um etwas für unseren Körper zu tun, und nicht, um über meine entstofflichte Existenz zu spekulieren. Om mani padme hum. Aufwachen, Charles!“
    Roditis aktivierte die vertikalen Trampolins. Es handelte sich dabei um zwei flexible Matten, die fünf Meter

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