Noch Einmal Sollst Du Buessen
Vertrauen zu ziehen. Niemand, auch nicht Victor, würde je den wahren Grund des Zerwürfnisses erfahren. Kents Betrug war zu erniedrigend. Um beschäftigt zu wirken, holte sie aus einer Ecke einen Armvoll Kaminholz und warf einige Scheite auf das Feuer. Sie sah zu, wie das trockene Moos an einem Borkenstück sich knisternd entzündete. Adam blickte sie nicht mehr an, aus Furcht, schon zu viel gesagt zu haben, aus Furcht, sie könnte sich wieder im Anblick seines Körpers verlieren. „Wollen Sie sich nicht anziehen?“, fragte sie verkrampft.
„Störe ich Sie?“
„Ja!“ Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden, als sie den Feuerschein auf seiner Haut spielen sah.
Ihre Blicke trafen sich kurz, dann ging Adam barfuß quer durch den Raum und zog sein Smokinghemd aus der Tasche. Zerknitterte Seide und verdreckter Jeansstoff – eine neue modische Kreation. „Störe ich Sie, oder stören Sie sich an mir, Marnie? Glauben Sie, dass Sie mit einem Dieb unter einem Dach wohnen?“
„Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Ich weiß nur, dass ich diese Nacht hinter mich bringen will.“
„Wenn ich das Geld gestohlen hätte – wäre ich dann wohl auf Victors Fest erschienen?“ Er stopfte das Hemd in seine Levis und sah zu Marnie hinüber, sein Blick dunkel und forschend.
„Vielleicht wollten Sie Ihren Namen reinwaschen, um sich dann bei einem anderen Unternehmen einen Posten zu ergattern.“
„Für jemand anderen arbeiten? Damit bin ich durch.“ Er lächelte kalt. „So gesehen bin ich auch auf dem Emanzipationstrip. Wissen Sie, Marnie, wir haben mehr gemeinsam, als ich gedacht hätte.“
Er lachte spöttisch über seinen eigenen Scherz. Dann schob er Marnie ihre Tasche hin. „Sie sollten sich auch umziehen. Ich wäre untröstlich, wenn Victors Tochter sich erkälten würde.“
„Ich habe nicht gesagt, dass ich auf einem Emanzipationstrip bin.“
„Nein? Was tun Sie dann?“
„Ich mache nur ein wenig Ferien.“
„Aha. Ferien im Orkan.“
Statt sich auf eine Diskussion einzulassen, folgte sie zähneknirschend seinem Rat und beschloss, sich umzuziehen. Ihre Schuhe waren klitschnass, und ihre Jeans und das Sweatshirt klebten ihr am Körper. Sie warf Adam einen finsteren Blick zu und ging mit ihrer Tasche zu den Waschräumen, die sich hinter der Rezeption befanden.
Als sie in frischen Jeans und einem warmen Pullover wieder in die Halle kam, hatte Adam den Raum inzwischen wohnlich gemacht. Um den Kamin herum standen zwei alte Sofas und ein Sessel. „Ich dachte, wir brauchen etwas, worauf wir schlafen können“, erklärte er.
Schlafen! Marnie bezweifelte, dass sie diese Nacht auch nur ein Auge zumachen würde. Sie strich über die verstaubte Lehne des Sessels. An Schlaf wäre nicht zu denken, wenn sie so nah bei einem Mann liegen würde, der sich über alle Konventionen hinwegsetzte und noch dazu diese elektrisierende Männlichkeit ausstrahlte.
Das hier bringt mich überhaupt nicht weiter, dachte Adam finster. Er riskierte einen Blick zu Marnie, die auf der anderen Couch lag und schlief. Ihr blondes Haar fiel ihr in sanften Wellen ins Gesicht. Ihr Atem ging ruhig und regelmäßig. Sie hatte ihm nichts erzählt. Gar nichts!
Frustriert rollte er sich auf die andere Seite und unterdrückte einen Fluch, als eine Sprungfeder sich ihm in den Rücken bohrte. Irgendwie würde er Marnie überzeugen müssen, dass er kein Feind war und dass sie ihm alles erzählen konnte, was sie wusste.
Aber wie? Im Moment war sie mit Simms und ihrem Vater zerstritten, und vielleicht konnte er das ausnutzen. Oder – eine andere Möglichkeit – er ließ seinen männlichen Charme spielen …
Adam lächelte, als er sich vorstellte, Kent Simms’ Verlobte zu verführen. Doch er wischte den Gedanken schnell fort. Zugegeben – Marnie war eine Frau, die ihn reizte, aber Sex stand bei ihm nicht an oberster Stelle. Außerdem war es nicht sein Stil, sich auf diese Weise an einem Gegner zu rächen.
Er hatte seine Erfahrungen mit Frauen gemacht, und viel Gutes war nicht dabei herausgekommen. Er hatte Mädchen und Frauen gehabt und konnte sich nicht an ein Gesicht erinnern. Auf der Schattenseite von Chicago aufgewachsen, von einer ältlichen Tante erzogen, die man leicht hinters Licht führen konnte, war er als Jugendlicher mehr als einmal wegen groben Unfugs und ähnlichen verhältnismäßig harmlosen Vergehen mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
Das hatte seine Tante bewogen, ihn in strengere Obhut zu geben. Gezwungenermaßen
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