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Noch Einmal Sollst Du Buessen

Noch Einmal Sollst Du Buessen

Titel: Noch Einmal Sollst Du Buessen Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihr immer als ein ehrlicher Mann erschienen, der mit unglaublicher Ausdauer arbeitete. Knallhart, ja. Und gerissen. Aber seine Gerissenheit hatte Victor so manchen guten Geschäftsabschluss verschafft.
    Es hatte Zeiten gegeben, da hatte ihr Vater Adams Schläue und Härte gepriesen, sein Gespür für den „Moment des Todesstoßes“.
    War Adam nun ein Wolf im Schafspelz oder ein unschuldiger Sündenbock? Marnie fragte sich, ob wohl je die Wahrheit ans Licht käme. Nicht dass es sie besonders interessierte. Adam war eine Unannehmlichkeit für eine Nacht. Nicht mehr.
    „Dies ist also Victors nächstes Projekt.“ Adam beleuchtete mit seiner Taschenlampe die Treppe und die Galerie im Obergeschoss. In den Winkeln der Holzbalken hingen Spinnengewebe. Staub tanzte in dem Lichtstrahl.
    „Eines von vielen.“ Marnie entdeckte einen kurzen Flur, der von der Bar zur Küche führte, und setzte ihren Erkundungsgang fort.
    Sie rief sich den Grundriss in Erinnerung, denn sie kannte die Pläne und hatte sich immer wieder Victors ausschweifende Erklärungen angehört, wie er die Lodge, wo er als Junge viele glückliche Sommer verlebt hatte, „verschönern und verjüngen“ würde.
    Über den Flur gelangte sie zu der Tür, die sie suchte. Den alten Zeichnungen nach müsste hinter dieser Tür eine schmale Treppe zum Weinkeller führen.
    Sie zog an dem Knauf, aber nichts tat sich. „Mist“, murmelte sie, legte die Taschenlampe auf den Boden und zog mit beiden Händen. Fast wäre sie hintenüber gefallen, als das verzogene Holz endlich nachgab und die Tür aufsprang. Ein feuchter modriger Geruch schlug Marnie entgegen. Sie rümpfte die Nase und ging todesmutig nach unten.
    So alt die Pläne waren – keine Computerzeichnung hätte sie an Exaktheit übertroffen. Marnie fand auf Anhieb, was sie suchte: den Sicherungskasten. Sie drückte den Schalter herunter, und augenblicklich flammte oben im Haus Licht auf.
    „Bingo!“, flüsterte Marnie. Nach so viel Glück würde sie auch den Thermostat für die Heizung finden. Sie wanderte durch die Gänge, bis sie nicht einen, sondern drei Heizungsregler fand – für jede Etage einen. Sie schaltete den ersten ein und hörte es kurz darauf knacken und rumpeln: die Heizung im Erdgeschoss lief.
    „Bravo, Marnie!“, beglückwünschte sie sich und klopfte sich die Hände an den Jeans ab. Für Licht und Wärme war gesorgt. Überhaupt konnte sie mit sich zufrieden sein, abgesehen von dem Missgeschick auf See. Wenn bloß ihr Vater nicht auf die Idee käme, ihr zu Hilfe zu eilen.
    Es genügte schon, dass sie Adam Drake am Hals hatte. Gut, er hatte ihr geholfen, und sie hatte nichts gegen seine Gesellschaft. Aber ansonsten verdarb er den Stil ihres Unabhängigkeitskampfes. Sie konnte sich schwerlich als selbstständige Frau bezeichnen, wenn sich ihr ein Mann an die Fersen heftete.
    „Es ist nur für eine Nacht“, sagte sie sich. Bei ruhiger See würde die „Marnie Lee“ es bis zum nächsten Hafen schaffen. Adam Drake würde wieder in die Zivilisation entlassen werden, und nach der Reparatur des Schiffes könnte sie, Marnie, endlich in die Freiheit starten.
    Aber wohin?, fragte sie sich bestimmt schon zum hundertsten Mal. Alaska? Hawaii? Bahamas? Mexiko? „Wohin ich möchte“, murmelte sie und ging in die Halle zurück.
    Adam war nicht untätig gewesen. Er hatte einen Stapel vergilbter Zeitungen und einen Kloben Fichtenholz gefunden und versuchte, im Kamin ein Feuer zu machen. Die trockenen Blätter, die er unter das Papier gemischt hatte, entflammten sofort. Bald leckten Flammen über das trockene Holz.
    Marnie beobachtete ihn, wie er auf den Hacken vor dem Kamin hockte und die Hände in die Wärme hielt. Er hatte den Poncho ausgezogen und zum Trocknen über einen Stuhl gebreitet. Sein nasses Hemd klebte wie eine zweite Haut an seinem Körper. Sein Haar glänzte unter dem Schein der Glühbirnen, die auf dem Wagenrad-Leuchter unter der Decke brannten.
    „Wie haben Sie das geschafft?“, fragte er und zeigte auf die Wandleuchten.
    „Das Glück ist mit dem Erfolgreichen“, antwortete sie selbstironisch. „Wir haben jetzt wenigstens Licht und Wärme, obwohl ich mir bei der Heizung nicht sicher bin. Vielleicht ist nicht mehr viel Öl im Tank. Aber bis jetzt …“, sie kreuzte die Finger, „läuft sie wacker.“
    „Der ganze Komfort eines gemütlichen Heims“, bemerkte er trocken. „Na ja, zumindest der Komfort meines Heims. Mit Ihrem kann es sicher nicht mithalten.“
    „Wenn Sie

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