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Noch Einmal Sollst Du Buessen

Noch Einmal Sollst Du Buessen

Titel: Noch Einmal Sollst Du Buessen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Luft, um sie zu kühlen. „Tolle Aktion, Marnie. Sehr klug. Du hättest eben doch zu den Pfadfindern statt zum Ballett gehen sollen.“
    Wieder ein Rückschlag auf dem Weg in die Selbstständigkeit, dachte sie voller Selbstspott und blickte verstohlen über die Schulter. Es hätte sie nicht gewundert, wenn Adam oben auf der Galerie erschienen wäre und sie ausgelacht hätte. Aber sie sah nicht die Spur einer Bewegung, nicht die Andeutung eines Schattens.
    Anscheinend war Adam aus dem Haus gegangen, ohne dass sie es gehört hatte. Kaum zu glauben. Marnie Montgomery, Weltmeisterin in Schlaflosigkeit, hatte tief und fest geschlafen, während ein Mann, der als Dieb und Betrüger galt, um sie herumrumort hatte.
    Der Schmerz in ihrer Hand wich einem tauben Gefühl. Im Feuer knackte ein Scheit, und ein Funke sprang auf das Kaminblech. Marnie trat ihn aus. Sie horchte nach draußen. Stille. Sie wartete auf Adam, und zugleich wollte sie ihn loswerden. Verrückt!
    Was ihr Vater wohl sagen würde? Sie stellte sich Victor vor, sein zornrotes Gesicht, seine bebende Unterlippe, wenn sie ihm erzählte, dass sie eine Nacht mit Adam Drake verbracht hätte.
    Nein, Victor würde es nicht erfahren. Schließlich gehörte dies zu ihrem Aufbruch in die Freiheit, oder nicht?
    Einen Zipfel der Bettdecke um die Hand gewickelt, nahm sie die Kanne vorsichtig aus dem Kamin und goss heißes Wasser in die Tasse mit dem Kaffeepulver. Es schäumte braun auf, als sie umrührte, und wundervoller Kaffeeduft stieg ihr in die Nase. Überraschend die Wirkung – schon nach dem ersten Schluck war sie entspannt.
    Trotz der Nacht auf einer durchgesessenen staubigen Couch, seit Stunden ohne Nahrung, ungewaschen, das Haar strähnig vom Salzwasser und trotz des ungewollten Gefährten hatte Marnie sich seit langer, langer Zeit nicht so gut gefühlt. Sie war auf dem richtigen Weg, das spürte sie. Sie umfasste die Tasse und ließ sich das Gesicht von dem wohlriechenden Dampf streicheln.
    All die Jahre hatte sie sich nach Abenteuern gesehnt. Und jetzt, da sie den Kaffee ihre Kehle hinabrinnen fühlte, hatte sie das Abenteuer ihres Lebens. Mit ein paar unvorhergesehenen Hindernissen, gewiss. Aber das Erstaunliche war, dass auch das sie nicht störte.
    Sie, die so peinlich darauf geachtet hatte, dass jede Meldung für die Presse, jede Konferenz, jeder Empfang bis ins kleinste Detail perfekt geplant war. Sie, die Stunden damit verbracht hatte, Tischdecken und Servietten, Luftballons und Blumengebinde farblich passend zusammenzustellen. Sie, die sich bei der Innenarchitektin Rosa Trullinger Rat geholt hatte, wenn sie unsicher gewesen war. Sie hatten Broschüren ausgearbeitet, und wenn auch nur eine Zeile ihr missfiel, hatte sie auf einer Änderung bestanden. Zu den Pressekonferenzen war sie in teuren, makellos sitzenden Kostümen erschienen, mit tadelloser Frisur, tadellos manikürten Fingernägeln und exzellent auf jede Frage vorbereitet.
    War es ein Wunder, dass Marnie eine Perfektionistin war? Wenn sie allein an die Kindermädchen dachte, die nach dem Tod ihrer Mutter ihre Erziehung in die Hand genommen hatten! Sie alle hatten ihr eingeschärft, dass sie nun die „Lady“ des Hauses spielen müsse, wenn sie ihrem Daddy eine Freude machen wollte. Also hatte sie sich wie eine kleine Erwachsene benommen.
    Besonders lebhaft erinnerte Marnie sich an ihre erste Nanny, Miss Ellison, die eine Woche nach der Beerdigung in den Palast ihres Vaters einmarschiert war. Unter ihrer strengen, aber liebevollen Aufsicht hatte die Elfjährige gelernt, wie man eine Serviette auf den Schoß breitet, wie man die verschiedenen Essensgeräte handhabte und wie höfliche Dankgrüße verfasste. Ihre Kleider durften nie zerknittert oder dreckig sein, und es verstand sich von selbst, dass ein zu einem Fest getragenes Kleid nicht ein zweites Mal zum Einsatz kam.
    Seit Marnies Geburt war ihre Erziehung fest geplant gewesen, und obwohl sie am College ein wenig rebelliert hatte, indem sie ihre Jeans eine Woche lang trug, ohne sie zu waschen, hatten die Lektionen gesellschaftlichen Wohlverhaltens sich tief in ihr verankert.
    Wären nicht die unvergesslichen Sommerferien mit ihrem Vater gewesen, in denen sie schwimmen, fischen und Boot fahren gelernt hatte, wäre sie vermutlich der perfekte Engel geworden, den Miss Ellison zu formen versucht hatte.
    Kein Wunder, dass ein Mann wie Kent sich von ihr angezogen und gleichzeitig abgestoßen fühlte. Wie sie sehr wohl wusste, nannte man sie hinter ihrem

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