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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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sich zu kleiden wußte wie eine Edeldame oder wenigstens wie eine gutgestellte Bürgersfrau.
    Ich erschütterte ihre Weigerung, indem ich ihr in Aussicht stellte, was alles an Hauben, Kragen, Schnürmiedern und Polstern sie den adligen Damen von Boulogne verkaufen könnte. Den Ausschlag gab indes, daß wir in einer Kutsche reisen würden – im Sattel zu sitzen hatte sie keine Lust – und, vor allem, daß sie als meine Frau gelten und im Gasthof unter meinem Namen logieren sollte, indem ich mich für ihren verstorbenen Mann ausgäbe. Als sie das hörte, flog meine kleine Feuerfliege mir an den Hals und küßte mich so freudig ab, daß ich mich genötigt fühlte, ihr zu sagen, ich gedächte aber meiner Angelina die Treue zu halten und die eheliche Rolle nur vor der Öffentlichkeit zu spielen. Doch entweder beglückte sie schon der Anschein, oder sie meinte, da sie mich seit langem kannte und gewisse Erinnerungen bewahrte, ich würde kaum so standhaft sein, wiederholten Gelegenheiten zu widerstehen, jedenfalls störten meine Worte ihre Freude nicht, und sie begann sofort zu erörtern, was für Kleider wir auf dieser Reise tragen sollten. Es müßten sehr gute sein, meinte sie, denn je wohlhabender ein Händler erscheine, desto mehr verkaufe er.
    In zwei Tagen waren die Kleider beisammen. Doch als ich die meinen bei Alizon anprobierte, sagte sie, ich verriete durch jede meiner kleinsten Gesten zu sehr den Edelmann, meine linke Hand suche zu oft den fehlenden Degengriff, ich dürfe mich nicht so höfisch bewegen, so leichtfüßig und überlegen, sondern gewichtiger, ich ginge, schneuzte, setzte mich nicht wie ein Bürger, ich dürfe den Kopf nicht so hoch tragen, vielmehr müsse ich die Schwere eines Mannes annehmen, der seinen Wohlstand zur Schau trägt, nicht hüpfen oder wirbeln, sondern den Fuß flach aufsetzen, ein wenig auswärts, nicht gerade, wie ich es täte, auch der goldene Ring in meinem rechten Ohr müsse verschwinden, das sehe zu geckenhaft, seemännisch |250| oder soldatisch aus, meine Haare dürften nicht gelockt fallen, sie müßten straffer anliegen, auf keinen Fall dürfe ich parfümiert sein, meinen Medizinerring und meine beiden edelsteinbesetzten Ringe müsse ich abstreifen und dafür eine Silberkette mit einem schweren Chronometer umlegen, den ich dann und wann zu Rate ziehen solle wie einer, dessen Zeit kostbar ist. Ich dürfe nicht so weit vorn sprechen, sondern viel kehliger, niemals hell auflachen wie im Louvre üblich, und mich in meinen Pluderhosen nicht so wendig bewegen, als steckte ich in meinen engen, höfischen Hosen, mein Auftreten müsse gemessen und würdevoll sein, entsprechend der alten Mode. Wenn ich, sagte sie schließlich tränenlachend, mein Betragen nicht völlig änderte, damit es zu meinen Kleidern passe, würden die Gevattern Händler in Boulogne auf den ersten Blick die Maskerade erkennen und Lunte riechen. Kurz, sie müsse mich meine Aufführung erst lehren, auch einige Begriffe der Putzmachersprache, ehe ich mich in meiner neuen Haut hervorwagen könne.
    »Meine Liebe«, sagte ich halb pikiert, halb belustigt über das Porträt, das sie von mir malte, »bin ich in deinen Augen so lächerlich?«
    »Aber gar nicht!« sagte Alizon, indem sie mir einen Kuß auf die Wange gab, »Ihr seid, was Ihr seid, mein Pierre, und so gefallt Ihr mir. Nur haben zehn Hofjahre Euch verwandelt, auch Menschen erhalten eine Façon, wie meine Hauben. Und würde ich Euch lieben, wenn Ihr nicht ein so anmutiger Edelmann wärt? Zumal der Mann bei Euch immer über den Höfling geht?«
    Zwei Tage lernte ich bei meiner kleinen Feuerfliege, mich meinem Stand gemäß zu benehmen und zu reden, und diese Lektionen schmeichelten ihr sehr, stand sie doch einmal über mir, indem sie mich das Unter-mir lehrte. Inzwischen mietete ich eine Reisekutsche und beschwatzte Quéribus, mir seine Eskorte auszuleihen, die er nur ungern hergab, ging ihm doch nichts über die Ehre, überall in starker Begleitung zu erscheinen, sogar auf den wenigen Klaftern von seinem Haus zum Louvre. Auch die Männer der Eskorte murrten, daß sie ihre glanzvollen Livreen gegen die grauen, schwarzen oder braunen Kleider eines verachteten Standes eintauschen sollten, doch gab ich ihnen zu verstehen, daß sie damit dem König |251| dienten, welcher sie durch mich für ihre Gefälligkeit belohnen werde.
    Die Reise verlief ohne Hindernisse, in Boulogne bezogen wir den stattlichen Gasthof »Zum goldenen Schiff«, und am nächsten Morgen

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