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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Tier am Hof wart. Ha, Moussu, das ist zuviel, das ertrage ich nicht! Ich verlasse Euch, Punktum! Erstens, weil Ihr mich verdächtigt zu bummeln. Zweitens, weil Ihr Geheimnisse vor mir habt. Mögt Ihr Madame Angelina dies und jenes verschweigen, weil es nicht für Frauen taugt und sie gefährden würde. Aber mir, Moussu! Mir! Der ich in den vergangenen zwanzig Jahren gleichsam Euer Schatten gewesen bin!«
    Da ging ich, nahm ihn bei den Schultern und schloß ihn in die Arme.
    »Ach, Miroul«, sagte ich, »du bist nicht mein Schatten, du bist Licht, denn du hast meinen Weg oft mit deinem weisen Rat erleuchtet.«
    »Den Ihr trotzdem nicht befolgt!«
    »Der weise ist, auch wenn ich ihn nicht immer befolge. Miroul, verlasse mich nicht! Was finge ich ohne dich an in den Widrigkeiten und Ärgernissen, die mir drohen?« sagte ich, eine Ängstigung vortäuschend, die ich nur halb empfand, wohl wissend, daß er mein Haus nicht verlassen würde, weil er viel zu sehr an mir hing, so wie ich an ihm. »Mein Miroul«, fuhr ich fort, »wer, meine Frau Gemahlin ausgenommen, ist mir in diesem Haus näher als du? Bist du außer meinem Sekretär und meinem Majordomus nicht auch mein Freund, ja beinahe mein Bruder?«
    »Schamlose captatio benevolentiae!« sagte Miroul, doch schon in milderem Ton und wie besänftigt. »Was ist das für ein Bruder, der einem so vieles verheimlicht?«
    »Schön«, sagte ich, »ich überlege mir diese Nacht, was ich dir anvertrauen kann, verspreche aber nicht, daß ich dir alles sagen werde. Bist du zufrieden, Miroul?«
    »Das hängt ganz von Eurem Vertrauen ab! Aber, Moussu, wollt Ihr nicht wissen, wen ich als Wächter für die Nadlerei gefunden habe?«
    »Oh, ja!«
    »Mérigot!«
    »Was? Der mich erschießen sollte?«
    »Derselbe. Moussu, er liebt Euch so sehr dafür, daß ihr ihn |297| vorm Strick bewahrt habt, daß er Euch bis in den Tod ergeben ist.«
    »Gibt er denn meinetwegen seinen Schifferstand auf?«
    »Der Schifferstand hat ihn aufgegeben: Er ist vom Mast gefallen, hat sich ein Bein gebrochen, humpelt und hat keine Arbeit mehr.«
    An der Tür klopfte es, und auf mein »Herein!« erschien Angelina, wunderschön in ihrem fließenden Hausgewand und mit gelösten Haaren.
    »Mein Herr Gemahl«, sagte sie, »was hält Euch so lange wach? Wenn Eure Angelegenheiten beendigt sind, säumt bitte nicht länger. Euer Bett wartet.«

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    |298| NEUNTES KAPITEL
    Wie vom König angekündigt, kam am nächsten Morgen Quéribus, jedoch nicht zu Pferde, sondern in seiner Kutsche, die er zu meiner Verwunderung in unseren Hof einfahren ließ. Dann verlangte er, das Tor nach der Straße hin zu schließen, begrüßte mich, ohne daß er mich wie sonst umarmte, und eröffnete mir sehr feierlich und geheimnistuerisch, daß er mir von seiten des Königs einen Schrein zu übergeben habe, wohin der solle?
    »Bitte, mein Herr Bruder«, sagte ich verblüfft, »in mein Zimmer, auf meinen Sekretär!«
    Damit meinte ich jenes Möbel mit dem Geheimfach, das die Pillendose des Königs barg. Sogleich folgte uns ein kräftiger Lakai, in der glanzvollen Livree des Barons von Quéribus, mit besagtem Schrein, der aber, wenn der Leser dessen Öffnung noch eine Minute aufzuschieben erlaubt, nicht allzu groß war, lang wie mein Unterarm und halb so breit, doch wunderbar gearbeitet, aus spiegelblank poliertem Kirschbaumholz, mit Beschlägen und Ecken aus Goldbronze, die weibliche Brustbilder darstellten, während die unteren Leibeshälften sich im Metall gleichsam verloren; den Griff aber bildete ein nacktes Paar in enger Umarmung, oben der Mann, unten die Frau, so daß die Hand, die den Griff faßte, sich um den Rücken des Liebenden schloß und die Fingerspitzen um den Rücken seiner Gefährtin.
    »Dies ist der Schlüssel zu dem Schrein«, sagte Quéribus in zeremoniösem Ton. »Doch ehe ich ihn Euch überreiche und Ihr ihn benutzt – was Ihr, auf Geheiß des Königs, nicht in meiner Gegenwart tun sollt –, läßt Seine Majestät Euch durch meinen Mund vermelden, Sie hätte Euch in den Baronsrang erhoben, wenn Sie nicht fürchtete, Euch abermals Guises Verfolgung auszusetzen, und weil Sie diese Ehrung auf bessere Zeiten verschieben muß, bittet Sie Euch, aus Ihrer Hand dieses Geschenk zu empfangen, das weniger bescheiden ausfiele, hielte der Krieg Sie nicht so knapp. Monsieur le Chevalier«, fuhr Quéribus fort, damit deutlich machend, daß er mich als königlicher |299| Herold und Gesandter aufsuche, und nicht als Schwager, »ich

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