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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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unbehaglich lag mir die Erinnerung an Boulogne auf dem Gewissen.
    Wir plauderten noch ein wenig über Gedeih und Sorgen unseres Hausstands, über unsere Kinder, die Gott sei Dank schön und gesund waren, über die Verbindungstür zum Nachbarhaus, das ich gekauft hatte, um dort Giacomi und Larissa einzuquartieren, was uns auch im Falle eines Volksaufruhrs zustatten käme, und meine Gemahlin freute sich darauf, ihre nun glücklich verheiratete, geliebte Zwillingsschwester nach zehnjähriger Trennung bald in allernächster Nähe zu haben. Und ganz beruhigt und still geworden, schlief sie in meinen Armen ein, während ich im matten Schein des Öllichts nicht ohne tiefe Zärtlichkeit und kleine Gewissensbisse die letzten Tränenspuren auf diesen Wangen betrachtete. Aber leider, wie man weiß, kann man in geliebten Armen nicht einschlummern, ohne daß die verschränkten Gliedmaßen auf die Dauer erlahmen und |356| taub werden, also daß man sich wieder voneinander lösen muß.
    Auch meine Gedanken lösten sich von ihr, das Treffen zu Meaux kam mir in den Sinn, und tief bekümmert grübelte ich darüber, wie doch die scheinheilige Kriegspartei – ha! Guises schöne Augen, so klar, so blau, so falsch! – wiederum über die Menschlichkeit meines Herrn und über seine Sorge um das arme Volk triumphiert hatte. Ha! dachte ich aufs neue, wie tückisch und gleißnerisch mir alles an dem Herrlichen erschien! Welch eine Kakerlakenseele in der edelsten Hülle! Wieviel Verlogenheit in seinen Augen, seiner Stimme, seinem Denken, seinem Wort, da er den König zu bitten wagte, »einen Blick auf die sterbende Religion« zu werfen. Sterbend, der Papismus! Wie konnte man, ohne auch nur mit einer Wimper zu zucken, eine so himmelschreiende Verdrehung der Dinge aussprechen? Wollte Gott, der Papismus wäre weniger stark und voller Blut und Leben! Es würde sein Gelüst dämpfen, die armen Hugenotten erneut zur Ader zu lassen, denen in diesem Land ohnehin seit über vierzig Jahren Mord, Kerker und Scheiterhaufen drohen.
    Quetscht den schönen Herzog aus, und es kommt nichts wie Verderbtheit zutage, wie aus einem Haufen Läuse! Bald schon werdet ihr aus seinem goldenen Mund vernehmen, hierzulande werde die katholische Kirche verfolgt. Was übrigens schon jetzt behauptet wurde!
    Sollten eure Schritte euch in diesem glühendheißen Juli zum Friedhof Saint-Séverin tragen, wohin die Menge strömt, könnt ihr dort ein Gemälde sehen, welches die Montpensier bei einem Sudelmaler bestellt und extra dort aufgestellt hat, um das gläubige Volk zum Krieg aufzuhetzen. Geschildert in wüsten Farben, seht ihr die grausamen Foltern und Abscheulichkeiten, welche Königin Elisabeth angeblich an ihren katholischen Untertanen vollstrecken ließ; Zwicken, Stäupen, glühende Stiefel, Estrapade, Pfählen, Zerstückeln, Kastration, Hängen, alles ist dargestellt, von genotzüchtigten Jungfrauen und aufgespießten Kindern ganz zu schweigen. Vor diesen Greueln (von denen ich in England nicht die Spur sah) wimmern und schluchzen die armen Pariser Weiber, die Mannsbilder knirschen mit den Zähnen, und wieder daheim, wetzen sie ihre Messer für die Hugenotten. Denn wie ein Erklärer des erhabenen Gemäldes mit |357| einem Stab in der Hand ihnen eingepaukt hat wie das Evangelium, halten sich ihrer zehntausend – du weißt es, Leser! – im Faubourg Saint-Germain verborgen und warten nur auf ein Zeichen von Navarra, mit dem natürlich der König unter einer Decke steckt, um über Paris herzufallen!

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    |358| ELFTES KAPITEL
    Im August 1587, den Tag weiß ich nicht mehr, schickte der König mich nach Sedan mit einer außerordentlichen Botschaft an den Fürsten dieser Stadt, den jungen Herzog von Bouillon. Weil die Botschaft streng geheim war und den Boten deshalb in große Gefahr brachte, hieß der König Fogacer das Gerücht verbreiten, ich hätte mich zum Baron von Quéribus nach Saint-Cloud zurückgezogen, um eine vermutlich ansteckende Krankheit auszuheilen – dies nur, um mir Spitzel und Ligisten vom Leibe zu halten. Und zum Schein brach ich, jedermann sichtbar, auf nach Saint-Cloud, halb liegend in meiner Kutsche und weiß geschminkt, um recht leidend auszusehen, aber mit der starken Eskorte von Quéribus, die mich bereits nach Boulogne begleitet hatte.
    Der König hatte bei meiner Mission nicht geknapst, und so blieb ich in Saint-Cloud, bis wir für alle sehr gute Pferde gekauft hatten, wußten wir doch, daß Guises Truppen die Umgebung von Sedan

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