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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Antwort schlecht verdaut, denn er sieht in der Picardie einen Schlüssel der jetzigen Situation.«
    »Und warum?«
    »Ach, Pierre!« sagte Quéribus, »das fragt mich nicht! Ihr wißt, ich bin kein politischer Kopf und dringe in diese Mäander nicht vor.«
    »Aber«, sagte ich verdutzt, »was sollte Mosca über die Picardie berichten können, da er wie ich in Paris lebt?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ist das alles?« fragte ich.
    »Ja«, sagte Quéribus, indem er sich den Schnurrbart strich und sich, seine Wespentaille straffend, wohlgefällig im Spiegel |406| betrachtete. »Ach, eh ich’s vergesse«, setzte er hinzu, »der König läßt fragen, ob ich Lady Stafford wissen lassen darf, wo Ihr Euch aufhaltet?«
    Was ich sogleich bejahte, indem ich ihm allerdings zu größter Vorsicht riet. Und befriedigt, all seiner Aufträge ledig zu sein, tänzelte er davon. Mein schöner Quéribus! dachte ich, welch ein Leichtfuß und Tor! Und seinem König dennoch so treu inmitten dieser großen Abwanderung der Adligen vom Louvre zu Guise in Soissons, hochbetitelte Ratten letztlich, die das sinkende Schiff verlassen, um jenes andere zu entern, das dem Thron zusteuerte.
    Das arme, große England – wie hart bedroht mußten seine Freiheit, seine Religion und seine Königin durch die gewaltige Flotte sein, die der Spanier gegen ihre Küsten sandte, daß Lady Stafford so rasch Verbindung zu mir suchte. Denn schon am übernächsten Tag, gegen elf Uhr morgens, meldete mir Alizon, eine vornehme Dame in schwarzer Maske wünsche mich zu sprechen, doch rede sie in einem seltsamen Jargon.
    »Zuerst antwortete ich ihr«, sagte Alizon, »sie müsse sich irren, hier wohne niemand des Namens Baragran. Aber sie bestand darauf, dich zu sehen, im übrigen kenntest du sie gut.«
    »Bitte sie herauf.«
    »Was, hierher? In unser Zimmer? Soll hier insgeheim getändelt werden?«
    »Keine Bange, Alizon«, sagte ich lachend, »es geht um andere Geheimnisse.«
    Wie überrascht war ich aber, als die Fremde ihre Maske abnahm und ich nicht wie erwartet die Gesellschafterin von Lady Stafford erblickte, sondern die schwarzen Mandelaugen, die breiten Wangenknochen und den vollen Mund Lady Markbys, derselben, die mich zu London in der »Pope’s Head Tavern« aus dem Schlaf geweckt hatte, indem sie den Ring der Gesandtengattin an meine Lippen drückte.
    »Ha, Mylady!« sagte ich auf englisch, vermutete ich doch, daß meine liebe Alizon sich nicht scheute, hinter der Tür zu lauschen, »wie kommt Ihr hierher? Können der ›Maure‹ und Eure Herrin Euch denn in London entbehren? Und habt Ihr nicht Haus und Mann in Shropshire?«
    »Müßt Ihr mich daran erinnern«, sagte sie lachend, »da ich es zu vergessen suche, vor allem, wenn ich Euch sehe! Sogar |407| bei Euren derzeitigen Kleidern und dem blonden Stroh in Eurem Gesicht sind es, Gott sei Dank, noch dieselben französischen Augen, die so angenehm weibliche Reize verschlingen. Ach, bitte, meine Lerche, Eure Lippen!«
    »Mylady!« sagte ich, »nichts wäre mir lieber, aber es geht nicht: Ich werde ausgespäht.«
    »Ah, sicherlich von dieser hübschen kleinen, brünetten Furie, die mir die Tür öffnete«, sagte Lady Markby, prustend vor Lachen, wie es ihrem übermütigen Temperament entsprach. »Hätte ich mir doch denken können, meine Lerche, daß die Dornen Eurer Verkleidung nicht ohne Rosen sind.«
    »Nein, nein, Mylady«, sagte ich, »Ihr irrt. Beliebt Platz zu nehmen, ich brenne darauf zu wissen, was Euch nach Paris führt?«
    »Allerlei«, sagte sie, »aber das Haus von Lord Stafford ist von Spitzeln, ligistischen wie spanischen, so umstellt, daß niemand hinauskann, ohne daß ihm einer oder zwei an den Fersen kleben. Also wohne ich nicht bei Lord Stafford, und da mich in Paris bisher keiner von denen gesehen hat, kann ich mich noch für einige Zeit frei bewegen.«
    »Mylady, ich höre«, sagte ich und nahm meinerseits Platz.
    »Die Picardie«, sagte sie, indem sie die gebauschten Falten ihres Reifrocks um sich ordnete, »die Picardie ist mein Thema.«
    »Ah!« sagte ich, die Ohren spitzend, und vergaß über meinem jäh gespannten Interesse ihre betörende Schönheit. »Ich hörte gestern«, setzte ich hinzu, »daß mein Herr durch die Vorkommnisse in der Picadie höchst beunruhigt ist.«
    »Meine Königin ist es nicht minder«, sagte Lady Markby, »aber aus anderen Gründen. Meine Lerche«, fuhr sie fort, »wenn ich Euch jetzt einen neuen Tag leuchten lasse, singt Ihr folgendes Lied dann Eurem

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