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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Euch wohler werden!«
    Doch Quéribus, dessen Augen aufgeleuchtet hatten, als die Tür zur Bibliothek aufging, bei Franchous Anblick aber sofort erloschen, ließ die Kammerfrau seinen Becher füllen, ohne zu danken, ohne ihn anzurühren, ich glaube, er wußte nicht einmal, was er in seiner Hand hielt. Jedoch näherte sich Franchou dem Baron von Mespech und schob ihm ein Billett in die Hand, das er entfaltete und still, ein Lächeln um die Lippen, las, während die gute Franchou, wieder voll erblüht, wie mir schien, ihren Herrn mit den Augen verschlang.
    »Mein lieber Quéribus«, sagte Jean de Siorac, halb belustigt, halb bewegt, »meine Tochter ersucht mich mit diesem Billett um die Ehre, Euch hier begrüßen zu dürfen. Ist Euch das genehm? Oder seid Ihr so müde, daß Ihr lieber zu Bett wollt?«
    »Nein, nein!« sagte Quéribus mit gepreßter Stimme, mehr sagte er nicht, denn ihn verließ alle Farbe, weshalb ich ihm |82| rasch den Becher aus den zitternden Fingern nahm und an seine Lippen führte, auf daß er ihn in einem Zug leere. Der Trunk tat Wunder. Es war, als hätte mein Quéribus statt des guten Weins von Mespech einen Zaubertrank zu sich genommen, so jäh kehrten ihm Kraft und Leben wieder. Kreuz und Schultern gestrafft, saß er, das Haupt frei erhoben und die sprühenden Augen auf die Tür gerichtet, durch welche Franchou soeben verschwunden war.
     
    Meine süße Schwester Catherine erschien nahezu wie sie geschaffen war, in einem leichten rosa Baumwollkleid, rosa Mieder, ohne Halskrause, aber mit jungfräulichem Dekolleté und wenigen Perlen um den hübschen Hals, ohne jegliche Schminke, das Gesicht mit klarem Wasser gewaschen, die goldenen Haare mit einem rosa Band gerafft, auf hohen Absätzen, um größer zu wirken, was man aber nicht sah, weil ihr Rock bis auf den Boden fiel: Kurzum, an ihrer Kleidung gab es so wenig zu bewundern, daß die Augen des Barons um so mehr an dem jungen, wohlgerundeten Körper hafteten, ganz zu schweigen von ihrem schönen Kopf, ihrem glatten Angesicht und ihren blanken, blauen und herrlich glänzenden Augen, denn Franchou trug ihr einen Leuchter mit nicht weniger als vier Kerzen voran (o armer Sauveterre!), der einzige Luxus, den sich Catherine erlaubte. Aber du hättest erst sehen müssen, Leser, wie sie samt ihrer wohlbedachten Schlichtheit in eine tiefe Reverenz vor meinem Vater und dann vor dem Baron versank! Wie ein Pfeil schoß dieser in die Höhe und bot ihr stammelnd seinen Lehnstuhl, damit sie bequemer sitze, ein Schemel genüge ihm. Auf den er sich auch niederließ, aber etwas zu rasch, so daß er zusammenzuckte, so schmerzte ihn noch der Hintern von seinem Galopp über Stock und Stein, war er doch wie ein Wilder geritten, um nach der langen Zeit im kalten Warschau seine Schöne wiederzusehen. Und da war sie nun endlich! Und er hätte sie ganze Tage ansehen mögen, denn das Sehen ist der einzige Sinn, der unersättlich ist, wenn die Liebe uns im Bann hält.
    Gesprochen wurde, seit Quéribus mit halber Backe auf seinem Schemel hockte, kein einziges Wort! Liebe Zeit, ich dachte schon, dieses Schweigen würde eine Ewigkeit dauern, dermaßen war der Baron im Anschauen befangen. Und die Angeschaute, |83| vor Entzücken, derart betrachtet zu werden, blieb ebenso stumm, rosig das Gesicht, hochgehend der Busen, äugte nur verstohlen unter den Wimpern hervor, ob sie auch immer noch angeschaut wurde und ob ihr Gegenüber wirklich so liebenswert war wie in ihren Träumen.
    »Mein lieber Quéribus«, sagte schließlich mein Vater, um die Starre zu brechen, »ich sehe Euch ganz aufgelebt vom Wein, vielleicht wäret Ihr jetzt so gütig zu erzählen, wie der König Polen verließ?«
    »Ach, Monsieur«, rief Quéribus, indem er aufsprang, »Schande über mich, daß ich es nicht schon getan! Die Müdigkeit muß meinen Kopf getrübt haben, daß ich es gegen meinen Gastgeber soweit an Höflichkeit fehlen ließ! Ich bitte Euch, Herr Baron, meine demütigste Entschuldigung anzunehmen.«
    Hierzu verbeugte er sich vor meinem Vater tief und anmutig, doch ging auch diese Verbeugung aus bekanntem Grund nicht ohne Schmerz und Grimasse ab, so verzichtete er lieber auf seinen Schemel und spazierte beim Erzählen die ganze Zeit hin und her, was ihm auch eindringlichere Blicke auf meine kleine Schwester Catherine gewährte, die den hübschen Kopf jeweils nach rechts oder links drehte, um ihm besser zu lauschen und mit den Augen zu folgen.
    »Es heißt«, sagte mein Vater, »die Polen

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