Noch immer schwelt die Glut
freute mich, daß mein Samson ihn zu sich nach Montfort holen wollte, weil es gegen seine Apothekerehre war, Medizin ohne Rezepturen, nur nach eigenem Ermessen, herzustellen, eine bekanntlich gefahrvolle Praxis.
Am 29. August saßen wir beim Abendessen, als Escorgol, Nase und Schmerbauch voran, uns atemlos melden kam, draußen begehre ein Edelmann mit zahlreichem Gefolge Einlaß, und er nenne sich Baron von Quéribus.
»Was! Der Baron?« rief Catherine, sprang halb von ihrem Schemel auf, dann sank sie ohnmächtig nieder, worauf die Maligou, Barberine und Franchou schreiend herbeistürzten, aber, weil sie nicht wußten, was sie tun sollten, rings um meine Schwester wie Hühner im Sand scharrten und gackerten.
»Die Pest über euer Gekakel!« sagte mein Vater, der wohl wußte, daß ein gesundes Mädchen an solcher Unpäßlichkeit nicht starb, »lockert ihr das Mieder und flößt ihr einen Tropfen Branntwein ein. Wenn sie nicht zu sich kommt, bringt sie zu Bett.«
|80| Der Branntwein wirkte Wunder. Catherine nahm im Nu Leben und Farbe an, und als die gute Barberine ihr das Mieder lösen wollte, verbot sie es ihr mit wieder recht energischer Stimme.
»Höre, Escorgol«, sagte mein Vater, »du kennst doch den Baron, hast ihn tausendmal gesehen. Hast du mit deinem feinen Gehör denn seine Stimme nicht erkannt?«
»Daß er es ist, hab ich mir schon gedacht. Aber es ist dunkel. Und er hat starkes Gefolge. Da werd ich doch das Fallgatter nicht aufziehen noch das Tor öffnen, wenn mein Herr es nicht befiehlt.«
»Mein Herr Sohn«, sagte der Baron von Mespech zu mir, »wollt Ihr hinuntergehen?«
Ha, und wie ich das wollte! Ich lief! Ich flog! In einem Wimpernschlag war ich dort und steckte im Torhaus den Oberkörper durchs Fensterchen.
»Quéribus!« schrie ich ins Dunkel, »mein Augapfel! Bist du es?«
»Ich bin es, Pierre, keine Bange! Frag nicht, wie ich meine Pferde geschunden habe, um hierher zu gelangen! Wie geht es (Catherine, wollte er sagen, zügelte sich aber und fuhr gedämpft fort) dem Baron von Mespech?«
»Sehr gut«, rief ich lachend, »und Catherine wunderbar.«
»Ha, Bruder!« stieß er hervor, mehr konnte er nicht sagen.
»Zum Teufel mit diesem Gatter!« rief ich, »ich kann es nicht öffnen, und dieser Escorgol scheint wie eine Schnecke zu kreuchen. Beim Donner, Escorgol!« schrie ich, »Escorgol! Hierher! Zum Gatter! Zum Tor! Zu mir!«
»Ha, Moussu!« rief Escorgol schnaufend von weitem, denn so schnell hatte er Nase und Schmerbauch noch nie vor sich her getrieben. »Nur Geduld! Es brennt ja nicht!«
»Brennen«, sagte ich, aber auf französisch, was er nicht verstand, »wird dir der Arsch, wenn ich dir Feuer drunter mache, daß du endlich kommst!«
Worauf mein Quéribus hellauf lachte, und nach großem Knirschen von Eisen und Schlössern konnten wir uns endlich in die Arme schließen.
Ich hieß Escorgol, aufs beste für Pferde und Gefolge zu sorgen, und zog meinen Quéribus im Laufschritt mit bis zum großen Saal, wo er, nachdem er meinen Vater begrüßt hatte, |81| nicht ohne Enttäuschung feststellte, daß das Objekt seiner Freuden nicht zu erblicken war. Die Enttäuschung konnte er unter Betrübnis verbergen, denn als er nach Monsieur de Sauveterre fragte, erfuhr er, daß dieser nicht mehr war. Worauf mein Vater, der ihm den Platz zu seiner Rechten gewiesen und einen silbernen Napf hatte vorsetzen lassen, von dem Kampf gegen die Banditen zu Marcuays erzählte und von der tödlichen Wunde, die sein Mitherr dabei empfing. Mein Quéribus hörte es höflich, mit trauriger Miene, während er achtlos aß, die Augen bald meinem Vater zugewandt, bald der Tür zur Wendeltreppe in der Erwartung, daß Catherine hereintreten werde, was aber ganz vergebens war.
Schließlich führte mein Vater Quéribus in die Bibliothek, damit im großen Saal nun auch die Eskorte Platz nehmen konnte. Und heimlich über die Bedrängnis seines Gastes schmunzelnd, da er ja um deren nahes Ende wußte, und übrigens nicht böse, daß der schöne und stolze Baron vom Hofe sich dem Joch eines Fräuleins von ländlichem Adel beugte, drängte er ihn, die abenteuerliche Rückkehr des Königs und seiner Suite aus Polen zu erzählen. Doch der Baron fand nicht Kraft noch Stimme, ihm zu genügen, er sei, sagte er, von seinem Ritt erschöpft.
»Baron«, sagte mein Vater lachend, »Ihr verwundert mich! Müde Backen lähmen die Zunge nicht! Ah«, setzte er hinzu, denn Franchou trat mit einem Krug Glühwein herein, »gleich wird
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