Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
Vom Netzwerk:
Zusammentreffen der beiden Trosse, war der von Epernon doch überwältigend zahlreich und prächtig und der von Navarra sehr klein und bescheiden geschmückt, so als begegneten sich hier der reiche Norden und der arme Süden, der katholische Prunk und die hugenottische Sparsamkeit.
    Henri von Navarra hatte seinem Troß Halt geboten und kam allein auf seinem weißen Pferd geritten, wie um sich dem Stellvertreter seines Königs in die Hände zu geben und vor aller Augen zu bezeugen, wie sehr er ihm vertraue. Hierauf ließ auch Epernon die Seinen halten und ritt Navarra seinerseits auf seinem schönen Spanier entgegen, zog seinen Federhut, und nachdem auch Henri sein Haupt entblößt hatte, sprachen sie einige Minuten miteinander wie Fürsten, die einander nicht nur liebenswürdig begegnen, sondern der Welt auch zeigen wollen, daß sie es sind.
    Nach beendetem Gespräch machte Navarra kehrt zu den Seinen, worauf sie den Weg nach Pamiers im Trab zurücklegten und dort lange vor uns eintrafen. Natürlich mußte Quéribus diesmal nicht als Avantgarde vorauseilen, war doch das Lager von Navarra vorbereitet worden, da er dort zu Hause war.
    Navarra schien über die Armseligkeit seiner Eskorte nachgedacht zu haben, denn anstatt uns am Tor von Pamiers zu Pferde zu empfangen, war er abgestiegen und erwartete uns zu Fuß, umgeben nur von einem knappen Dutzend Edelleute und Garden und ohne jeglichen Pomp, als wollte er betonen, daß |167| Seine königliche Majestät keinen Wert darauf lege und daß er den Herzog wie den ersten Bürger seiner Stadt mit frischem und fröhlichem Mundwerk zu begrüßen gedenke.
    Epernon, der wie sein Gastgeber Gascogner war, begriff, daß der schlaue Navarra, weil er an Glanz nicht mithalten konnte, die Palme durch Schlichtheit erringen wollte, und beugte sich geschmeidig der List des Königs, indem er sofort absaß, seinem Knecht den Zügel zuwarf und, obwohl die südliche Sonne zum Eierbraten brannte, seinen Federhut abnahm, und nun zu Fuß und barhäuptig einherschritt, um dem mutmaßlichen Thronfolger Ehre zu erweisen. Entzückt, daß der so gut verstanden hatte, ging Navarra ihm entgegen, umarmte ihn kräftig und führte ihn, vertraulich untergehakt, in die Stadt, wo die Häuser dem noch immer barhäuptigen Herzog zum Glück kühlen Schatten spendeten und das Volk freudig und lautstark dem König von Navarra und, in derselben Person, dem künftigen König von Frankreich zujubelte.
    Nun konnten, wenn die Fürsten zu Fuß gingen, die Edelleute nicht gut im Sattel bleiben, also überließen die Mannen Epernons ihre Pferde den Knechten und wankten mit weichen Knien und müdem Hintern nach dem langen Ritt durch das Stadttor, wobei Giacomi und ich unsere Ellbogen gebrauchten, um uns nach vorn durchzudrängen, begierig, den Béarnaiser zu sehen und womöglich auch zu hören.
    Ich muß sagen, er kam mir nicht sehr verändert vor, obwohl zwölf Jahre vergangen waren, seit ich damals, in jener Nacht vor der Niedermetzelung der Unseren, an seiner Seite vom Louvre zu Colignys Wohnhaus ritt, nur fand ich ihn kleiner als in meiner Erinnerung, vielleicht, weil Epernon neben ihm ging. Aber es war noch dieselbe lange Nase im langen Gesicht, derselbe lebhafte Blick, die gutmütige Miene, der Mund voller Witz. Und obwohl er sich zum Empfang des Herzogs ein wenig in Schale geworfen hatte, waren seine raschen und rauhen Manieren eher die eines Soldaten als eines Fürsten. Indessen sah man aber, daß er nicht der Mann war, auf den man herabsehen konnte, sondern daß er jenes Selbstvertrauen hatte, das der Gewohnheit zu befehlen und zu entscheiden entspringt.
    Als ich, wie gesagt, in die erste Reihe vordringen wollte, stieß ich auf einen Berg von Mann, der hinter dem König stand und dessen rotgelbe Livree trug (Rot für Navarra, Gelb für |168| Béarn) und der, als er sich von hinten geschubst fühlte, halb den Kopf wandte.
    »Herrgott!« sagte er auf deutsch, »paß doch auf, Mensch!«
    Ich stutzte, weil die Stimme mir bekannt vorkam, faßte mit beiden Händen den Arm des Riesen, damit er mir sein Gesicht zeige, was aber nur die Wirkung hatte, daß er den Arm hob, an dem ich hing, und ich den Boden unter den Füßen verlor. Doch wenigstens warf er dabei einen Blick über die Schulter und erkannte mich seinerseits, worauf er einen Schrei ausstieß, den man bis ans andere Ende von Pamiers gehört hätte, wäre das gute Volk in dem Augenblick nicht in ohrenbetäubenden Jubel ausgebrochen.
    »Ach, mein edler Herr!«

Weitere Kostenlose Bücher