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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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für den armen Mundane betete –, ging ich in meine Kammer, um mich anzukleiden und den Brief in meinem Wams zu verstecken. Und mir war, als brenne er auf meiner Haut, soviel Tod barg er. Zurück in der Kammer des Engländers, fand ich dort den ausgenüchterten Sergeanten Delpech, der sehr beschämt war, daß er in all dem Lärm bis jetzt geschlafen hatte. Ich schickte ihn den Wirt holen, und als Giacomi sich seinerseits ankleiden ging, besah ich mir Mundanes Wunden näher. Er hatte keine im Rücken und war auch nicht von den Stichen durchbohrt, wie Marianne es fälschlich berichtet hatte, woraus ich schloß, daß man ihn erdolcht hatte.
    »Wirt«, sagte ich, als dieser eintrat, »was weißt du von dieser Marianne, die du in Dienst genommen hast: Wer ist sie? Woher stammt sie?«
    »Nichts weiß ich, edler Herr«, sagte der Mann. »Ich hab sie gestern nachmittag eingestellt, eine Stunde, nachdem meine Magd mir ohne ein Wort davongelaufen war. Die seltsame Person bot sich ganz von selber an, ohne auch nur um den Lohn zu streiten, denn ich zahle nicht viel, dafür ist mein Profit zu klein. Aber, Monsieur«, fuhr er fort, »in aller Ergebenheit gesprochen, müßt Ihr mir gerechterweise die Matratze bezahlen, sie ist ganz voll Blut, und auch das fehlende Laken.«
    »Was?« fragte ich, »ein Laken fehlt? Glaubst du, die Schufte haben dein Laken mitgenommen? Das wäre eine schöne Beute für die Hundsfötter, wo sie sich an der Habe dieses Edelmanns bereichert haben!«
    »Aber, seht doch selbst: Wo ist es denn?« sagte der Wirt.
    »Wer weiß«, sagte ich, »vielleicht zu Boden gerutscht.«
    Der Wirt ging auf die Knie nieder, um unterm Bett nachzusehen, stieß einen Schrei aus und brachte ein zusammengerolltes, blutiges Laken zum Vorschein. Er zog es auseinander: Darin lag ein Dolch.
    »Beim Himmel!« schrie ich wie von Sinnen. »Wo ist dieses |193| Teufelsweib? Wirt, bei deinem Leben, bring mich zu ihrer Kammer!«
    Doch wie der Wirt mir auf der Wendeltreppe vorauseilte, stieß ich auf Miroul, der ganz verstört gelaufen kam, die Augen quollen ihm fast aus den Höhlen.
    »Moussu«, schrie er, »Marianne ist soeben mit verhängten Zügeln auf Eurem Spanier entflohen!«
    »Wie?« brüllte ich, »auf meinem Spanier!«
    »Ja, Moussu, was für eine Schofelei! Sie kam mir von Euch ausrichten, ich solle Euer Pferd satteln. Was ich tat, und weil ich, mit dem Zaumzeug zugange, das Tor nicht öffnen konnte, erbot sie sich, das Tier zu halten, und während ich die Torflügel aufsperrte, sprang sie jäh in den Sattel wie ein Mann, spornte den Spanier und war auf und davon!«

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    |194| SECHSTES KAPITEL
    Daß sie den Mord begangen hatte, und sie allein, ohne Hilfe, ohne jegliche Beteiligung der schmierigen Kerle, die ich verdächtigt hatte, das stellte sich bei weiterer Untersuchung klar heraus. Marianne hatte den nächtlichen Aufbruch der Taugenichtse (die vielleicht andere Sünden auf dem Kerbholz hatten) benutzt, um ihnen das Ganze in die Schuhe zu schieben, hatte unter Mundanes geschlossenem Fenster die Leiter angelegt, nach der Tat die Läden aufgestoßen und das Gepäck des Engländers auf die Straße geworfen, um uns weiszumachen, die Kerle hätten es geraubt. Mit dem Laken hatte sie sich von Blutflecken gereinigt, hatte darin ihren Dolch versteckt und war unters Bett geschlüpft, worauf sie sich fast ohnmächtig stellte bei Entdeckung der Gewalttat, die sie selbst mit kaltblütiger Entschlossenheit vollbracht hatte.
    Vermutlich war sie lange vor uns in Mâcon angelangt, und als sie alle Herbergen der Stadt außer dem »Schwarzen Roß« im Vorort belegt fand, hatte sie in der Erwartung, daß wir dort nächtigen würden, die Magd bestochen, damit sie dem Wirt kündige, und deren Platz eingenommen, denn einer Reisenden hätte Mundane mißtraut, nicht aber einer Bedienerin, die in diesem Lande bekanntlich jung und hübsch zu sein haben und den Gästen gegen Bezahlung die Nächte versüßen. Was ihr aufreizendes Gebaren während der Mahlzeit am Vorabend anging, ihre Anstalten, Giacomi, mich, dann Miroul zu umgarnen, sowie ihren leise geführten Schwatz mit dem Fuchsgesicht, so war alles nur kokettes Getue gewesen, um Mundane zu betölpeln, in sein Bett zu gelangen und ihn, ermattet vom Liebesspiel, im Schlaf zu ermorden.
    Zwei Fehler waren ihr unterlaufen: Erstens hatte sie, wie der Gardesoldat treffend bemerkte, im Gegensatz zu Judith, als sie den Holofernes erschlug, ihrem Opfer nicht sofort die Kehle durchgeschnitten, so

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