Noch mehr Krimikatzen
kein Anzug. Das nahm sich etwas seltsam aus, da Tom sich angeblich aus Geschäftsgründen in Winnipeg aufgehalten hatte. In der Seitentasche fand ich einen Briefumschlag, auf dem in Maschinenschrift der Name ›Thomas Leonard‹ stand. Innen drin befand sich ein Hin- und Rückflugticket für die Strecke Fargo – Los Angeles. Es sah so aus, als sei die erste Hälfte L. A. – Fargo benutzt worden. Im Umschlag befand sich außerdem ein Vertrag über die Anmietung eines grünen Skylark. Ich langte in die andere Tasche, spürte so etwas wie einen Armreif in meiner Hand und zog Handschellen heraus. Weiter unten in der Tasche stieß ich auf einen kleinen Revolver. Was zum Teufel? Ich mußte nachdenken. Ich machte den Koffer zu und zwängte ihn in den Schrank zurück. Okay. Was hieß das schon, er plante seinen Rückflug. Nach Los Angeles? Dann fiel mir ein, was er Haywood an dem ersten Abend in der Bar erzählt hatte. »Ich hasse es zu fliegen«, hatte er gesagt. Mir gefror das Blut in den Adern, während mir gleichzeitig im Gesicht ganz heiß wurde. Ich fing wieder an durch den Raum zu laufen, die Hände gegen die Wangen gepreßt. Warum sollte er mich täuschen? Wo war der springende Punkt? In dem Moment rieb Eighty sich an meinen Beinen und machte einen Buckel. Mein Gott. Tom hatte Cornucopia mit zwei Dingen im Gepäck verlassen, die er nicht mitgebracht hatte: mich und Eight Ball. Wenn er mich nicht wollte, was blieb übrig: Eighty. Der schnüffelte an seinem Transportkorb. Natürlich. Er hatte den Luftfrachtkorb nicht gekauft, weil es keinen anderen mehr gab. Er hatte ihn gekauft, weil er einen solchen brauchte! Mir wurden die Knie weich, und ich sank aufs Bett. Ich wollte nachdenken, aber dann merkte ich, daß ich mich erst mal übergeben mußte. Ich würgte über dem Klo, aber es kam nichts heraus. Jesus meine Zuversicht. Denk nicht an Tom oder wie immer er heißen mochte und was er tat! Denk nur an das, was du tun mußt! Wie konnte ich bloß so blöde sein – auf einmal? Schnapp dir Eighty, und dann sieh zu, daß du hier raus kommst! Noch bevor ich einen Entschluß fassen konnte, hörte ich einen Schlüssel in der Tür. Ich rannte hin und schob den Riegel zurück.
Tom sah mich fragend an, als er hereinkam. »Mußt du dich verriegeln wie in Fort Knox?«
»Es sind bloß die Motels. Sie erinnern mich an ›Psycho‹.« Ich versuchte zu kichern, aber heraus kam nur ein Wimmern.
Bloß um etwas zu tun zu haben, saß ich im Schneidersitz auf dem Bett und kaute an meinem Sandwich. Es schmeckte wie Sägemehl. Tom schwatzte von San Antonio und wie weit wir am nächsten Tag fahren wollten. Dann erzählte ich ihm, damit er nicht merken würde, wie es mir die Sprache verschlagen hatte, ich sei müde, was ich auch war. Als Tom zärtlich werden wollte, sagte ich ihm, mir läge das Sandwich im Magen und überzeugte ihn davon, indem ich es ins Klo erbrach. Er brachte mir etwas Cola, aber ich winkte ab. Ich wollte nichts von ihm. Nie mehr. Ich zog die Decke über die Schultern.
»Willst du angezogen schlafen?«
»Erstmal.« Endlich ließ er mich in Ruhe. Ich lag dort mit Eighty, der sich vor meinem Bauch zusammengerollt hatte, und versuchte mir auszumalen, wann Tom sich meiner entledigen würde. Meine Gedanken verschwammen. Ich versuchte wach zu bleiben, aber jeder Teil meines Körpers fühlte sich schwach, und meine Augenlider wurden so schwer.
Das nächste, woran ich mich erinnerte, war, daß ich dachte, der Raum sei explodiert. Ich saß kerzengerade und sah Tom quer über dem Bettende liegen. Er trug seinen Hut und Mantel. Eighty jaulte, aber ich konnte nicht ausmachen, wo er sich befand. Im Raum war es eiskalt, und ich sah, daß die Tür offenstand. Raumfüllend stand Harley in der Tür und richtete sein Gewehr auf Tom. Er sah, daß ich ihn bemerkt hatte, und richtete es auf mich. Ich saß bloß da, mit offenem Mund, und konnte mich nicht rühren. Als ich den Blick in Harleys Augen und sein Kürbisgrinsen sah, hatte ich keinen Zweifel, was Mary Beth und Jimmy zugestoßen war.
Tom stöhnte etwas und versuchte sich hinzusetzen. Harley trat mit einem Stiefel gegen seine Brust und schob ihn zurück. Er grinste mich an. »Sieht so aus, als wollte da jemand ohne dich weg, Annie.«
Tom stützte sich jetzt auf seine Ellenbogen und wischte das Blut aus seiner Nase mit dem Jackenärmel ab. »Hör mal, Harley.«
»Halt den Mund, Lloyd«, sagte Harley, sah aber weiterhin mich an. Seine Augen loderten so wild, daß sie ein Feuer
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