Noch mehr Krimikatzen
grausam gewesen, ihr nichts zu fressen zu geben.
Außerdem war Katy auch ein wenig einsam. Nachdem sie sich von Jack getrennt hatte, war ihr der Gedanke reizvoll erschienen, in einer neuen Stadt, in einem neuen Haus mit einem neuen Job neu anzufangen. Aber die Realität eines solchen Neuanfangs sah anders aus als der bloße Gedanke daran. Gedanken kann man nicht berühren. Gedanken sind vollkommen abstrakt, unsichtbare Dinge. Gedanken haben keine Farben – und keine Gerüche, sagte Katy sich, als sie die Plastiktüte mit dem toten Spatzen ansah.
»Okay, Kittykins, ich werde nicht aufhören, dich zu füttern, aber weißt du, dieses trockene Futter, das du nicht besonders magst… nun, glaube ja nicht, daß ich loslaufe und dir dieses stinkende teure Dosenfutter besorge. Hast du mich verstanden?«
Die Katze verzog sich von der Veranda und streunte zu den Büschen hinüber.
»Und ich habe auch genug von diesen kleinen stinkenden Haufen in meinen Blumenbeeten!« Katy jagte der Katze nach und schwang die Plastiktüte hin und her. Aber die Katze war bereits zwischen den Gardenien verschwunden, die Katy gepflanzt hatte, in der Hoffnung, daß es keinen Frost mehr geben würde.
»Verfluchte Katze!« Dann ging Katy um das Haus herum, um die Tüte in den großen blauen Mülleimer zu werfen. Sie beschwerte den Deckel immer mit einem Stein. »Was ist das für ein Leben…«, sagte sie und mußte doch über sie lächeln.
Sie sah sich die Blumenkörbe an, die sie auf der Veranda aufgehängt hatte, und entschloß sich, sie in den Schuppen zu bringen, falls es doch noch Frost geben sollte. Vielleicht würde es nicht frieren, aber Katy konnte es sich nicht leisten, neue Blumen zu kaufen. Nun machte sie sich doch wegen der Gardenien Sorgen. Vielleicht sollte sie ein Tuch über die Pflanzen werfen. Nur um sicherzugehen.
Schließlich kehrte sie in ihr Haus zurück, in ihr neues Haus, in dem sie erst seit einem Jahr lebte. Und doch fühlte sie sich hier noch nicht zu Hause. Besonders in der Küche – nach der letzten europäischen Mode eingerichtet – kam sie sich fremd und unbehaglich vor.
Katy stand in der Küche und dachte an ihre alte Küche, in der Zeit, als sie noch mit Jack zusammengewesen war – die warmen, braunen Holzschränke, der runde alte Tisch und die blauen Vorhänge. Die Veilchen auf dem Fenstersims. Der geflochtene Teppich. Der riesige türkische Teller an der Wand. Das Spülbecken, das immer voller Geschirr war. Die Kaffeekanne, in der immer mindestens zwei Tassen alter Kaffee standen. Diese Küche glänzte. Sie war immer sauber, weil alles weiß war. Eine moderne Küche voller eleganter, eingebauter Hexerei. Das war einer der wesentlichen Pluspunkte des Hauses gewesen. Die Küche war von der vorherigen Besitzerin erst völlig erneuert worden. Die Besitzerin hatte Katy nur kurz im Büro des Maklers getroffen. Die Frau, die frisch geschieden war, hatte sich kühl und uninteressiert über ihre Küche geäußert. Lachend hatte der Makler angemerkt, daß die Küche der Grund gewesen sei, daß die Frau sich von ihrem fünften Ehemann getrennt hatte. Aber Katy glaubte nicht, daß daran die Küche schuld war. Die Küche sollte das Herz des Hauses sein, und diese Küche hatte das nie vermocht. Katy hoffte, daß sie das ändern konnte.
Forschend tasteten ihre Finger über das kalte Spülbecken. Katy konnte die Art, wie die Küche eingerichtet war, nicht ändern, aber sie konnte alles mit ein paar Farben aufheitern. Aber mehr als alles andere verlangte diese Küche nach Stimmen. Katy würde einen Holztisch anstatt des weißen Tisches und der weißen Bänke hereinbringen. Ein Tisch für eine Familie. Aber es gab keine Familie. Katy spürte, wie sie einen Kloß im Hals hatte. Nur nicht weinen. Jetzt bloß nicht anfangen zu weinen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie wurde wütend, und sie schlug mit der Faust auf das Spülbecken. »Raus hier…« Sie nahm sich eine Cola und nahm das Popcorn für die Mikrowelle. Sie legte das Popcorn hinein und begab sich dann zu ihrem Fernsehapparat. Heute abend war die Oscar-Verleihung im Fernsehen. Gott sei Dank.
Die guten alten Zeiten. Wieviel Oscar-Verleihungen sie schon erlebt hatte. Aber sie würde damit fertig werden. Diese Erinnerungen an alte Familienabende beschworen andere Häuser herauf, wo andere Leute sich um den Fernseher scharten, von denen jeder im stillen seine eigene Dankesrede entwarf. »Ich möchte meiner Mutter danken…« Katy schluckte. Tot – ihre
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