Noch mehr Krimikatzen
die man auf diese Insel verfrachtet hatte, seit das erste Schiff den Atlantik überquert hatte. Wasserspeier glotzten aus allen möglichen und unmöglichen Nischen und Winkeln. Die meisten der häßlichen Figuren spähten hinter riesigen Fächern aus Straußenfedern hervor. Inmitten einer Gruppe von schwarzen Ledersofas standen die Rüstungen von fünf spanischen Konquistadoren, und in der unermeßlichen Weite der Empfangshalle sahen die beiden riesigen Treppenaufgänge, die links und rechts nach oben führten, geradezu winzig aus.
Mit einem dumpfen Schlag fiel die Tür hinter uns wieder ins Schloß.
Direkt vor uns, etwa fünfzig Meter entfernt, stand der Empfangsschalter, davor eine Nonne in einem bodenlangen schwarzweißen Gewand, die uns freundlich anlächelte. Von nahem sah sie richtig hübsch aus, genauso vergeistigt, wie man sich eine Nonne normalerweise vorstellte. Sie murmelte einen Willkommensgruß und stellte sich als Schwester Constance vor.
Ich lehnte mich mit einem Ellbogen auf den Empfangstisch und sprang augenblicklich erschrocken zurück. Ein grauer Schemen direkt neben meinem Ohr entpuppte sich unerwartet als langhaarige holzkohlenfarbene Katze. Sie richtete ihre gelben Augen auf mich, schnüffelte und tapste dann zu Scott hinüber. Der kraulte die Katze hinter den Ohren, bevor sie sich wieder majestätischen Schrittes zu ihrem Platz am Ende des marmornen Schalters begab. Sie streckte sich gravitätisch, legte sich nieder und schloß ihre Augen.
Schwester Constance erklärte mit ihrer sanfter Stimme: »Die meisten Schwestern hier im Haus sprechen mehrere Sprachen. Wir sind stolz auf unsere Bildung, aber viele von uns haben ein Schweigegelübde abgelegt. Am besten warten Sie immer ab, ob man Sie anspricht.«
Ich nickte und blickte zu Scott hinüber. Scott sah sich begierig den im ganzen Raum verteilten barocken Plunder an. Er begann, über jedes einzelne Stück, das sein Interesse erregte, Fragen zu stellen. Besonders hatte es ihm eine der Wände angetan, die voller Waffen hing: Krummsäbel, Entermesser, Breitschwerter, Bowiemesser, Donnerbüchsen, Elefantengewehre, Musketen, Rapiere, ein ganzes Sortiment Dolche, Streitäxte unterschiedlichster Größe, Beile und Speere. Verschiedene Folterinstrumente aus allen Jahrhunderten lagen auf einem großen Podest links von uns.
Kleine Fenster, hoch oben im Mauerwerk und nicht viel größer als ein paar Schlitze, ließen schmale Lichtstreifen herein, die vom bemalten Glas bunt gefleckt waren. Dadurch wurde die Dunkelheit etwas gemildert, die hier unten herrschte. Gleichzeitig machte es die Atmosphäre aber nur noch unheimlicher.
Die ganze Zeit, in der wir uns in der Empfangshalle aufhielten, vernahm ich nicht ein Geräusch außer unseren Stimmen und unserem Atem. Nicht das Ticken einer Uhr, das Murmeln eines Radios oder das Summen einer Neonröhre – absolute Stille. Und auch die einzige Bewegung im Raum kam von uns – und vom aufgewirbelten Staub.
Ich lauschte der dritten Frage des unermüdlichen Scott und Schwester Constances nicht enden wollender Antwort. Und dann stellte Scott doch tatsächlich noch eine Frage. Ich sonderte mich ein wenig von den beiden ab. Aus den Augenwinkeln sah ich ein metallisches Glitzern auf dem großen Podest unter dem linken Treppenaufgang. Der Gegenstand war so plaziert, daß ein Sonnenstrahl direkt von einem der Buntglasfenster auf ihn herniederfiel und rötlich auf seiner blankgeputzten Schneide schimmerte. Eine Guillotine. Langsam ging ich ein Stück darauf zu. Ich war noch nie zuvor so nahe an einem dieser Mordwerkzeuge dran gewesen. Ich streckte meine Hand aus, um die Schneide zu berühren. Nur wenige Millimeter bevor ich das kalte Metall mit meinen Fingern fühlen konnte, legte sich sanft eine Hand auf meine Schulter. Ich zuckte zusammen und wirbelte herum. Eine ältere Nonne, deren Gesicht von ihrem Kopftuch streng eingerahmt wurde, sagte leise: »Es wäre sicher ratsam, die Finger davon zu lassen.«
Während mein Herzschlag sich langsam wieder beruhigte, stellte sie sich als Mutter Oberin vor. Ich versuchte ein Lächeln und verdrückte mich. Scott wartete am nächstgelegenen Treppenaufgang auf mich. Die graue Katze schmiegte sich zufrieden schnurrend an sein Bein. Schwester Constance schwebte geräuschlos um die Ecke des Empfangsschalters. Die Mutter Oberin beobachtete, wie wir die Stufen der Treppe hinaufstiegen.
Scott murmelte die Wegbeschreibung vor sich hin, die man ihm auf ein Stück Papier aufgeschrieben
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