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Noch mehr Krimikatzen

Noch mehr Krimikatzen

Titel: Noch mehr Krimikatzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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hatte. Wir schleppten uns durch endlose Korridore, bogen um nicht minder zahlreiche Ecken und erklommen enge Treppen – und all das verströmte die heimelige Atmosphäre eines finsteren Kerkers. Das Licht der spärlichen Gaslampen enthüllte mit Steinplatten ausgelegte Gänge und hier und da einen Fleck, der gut und gerne Blut hätte sein können. Meine überanstrengte Phantasie begann mir wohl Streiche zu spielen. Als wir endlich unseren Zimmertrakt erreicht hatten, hatte ich jegliche Orientierung verloren.
    Wir hatten getrennte Zimmer und teilten uns ein Bad am Ende des Flurs. Ich öffnete meine Tür und erwartete ein Bündel Stroh auf dem Boden vorzufinden, das als Bett fungierte, sowie ein paar Ratten, die sich in den Zimmerecken eingenistet hatten. Doch um ehrlich zu sein, abgesehen von einem ziemlich fürchterlichen Bild direkt über dem Bett, das einen Märtyrer darstellte, der zu Tode gesteinigt wurde, und abgesehen davon, daß ein Telefon fehlte, war das Zimmer gar nicht so übel. Und wen hätte ich schon anrufen können? Mein nächster Verwandter war mehr als einen Kontinent von hier entfernt.
    Das schmale Doppelbett hatte eine weiche Matratze. Ich hob sie an, um nach Ungeziefer Ausschau zu halten, doch es war alles tipptopp. Ich warf meinen Koffer auf das Bett. Direkt neben der Kommode führten ein paar große Flügelfenster auf den Balkon. Draußen entdeckte ich Scott, der über die Brüstung hinwegschaute. Ich gesellte mich zu ihm und begutachtete ebenfalls unsere Umgebung. Die Sonne war untergegangen, und über uns erstrahlte die Milchstraße in einem Glanz, wie ich ihn nie zuvor gesehen hatte. Unter uns brachen nur ein paar vereinzelte Lichter den Zauber der samtweichen Nacht. Ich bildete mir ein, in der Ferne den Ozean rauschen zu hören. Eine sanfte Brise streichelte meine linke Wange. Der Balkon schien in dieser Höhe ganz um die Burg herumzulaufen.
    Ich hörte ein dumpfes Geräusch. Noch ein Gast? Eine der Nonnen? Eine Katze? Wir hatten niemanden gesehen. »Hast du das gehört?« fragte ich.
    »Was gehört?« fragte Scott.
    »Ich bin mir nicht sicher.« Ich ging in mein Zimmer zurück, gefolgt von Scott. Auf den ersten Blick sah alles unverändert aus. Dann bemerkte ich, daß jemand meinen Koffer verrückt hatte.
    »Jemand ist hier drin gewesen«, sagte ich. »Mein Koffer ist nicht mehr da, wo ich ihn hingelegt habe.«
    Ich öffnete ihn, aber es schien alles an seinem Platz zu sein.
    »Du hast dir genau eingeprägt, wo du den Koffer abgesetzt hast?« fragte Scott skeptisch.
    Nun, ich war mir nicht ganz sicher, und ich war müde. Also legte ich es nicht auf einen Streit an. Scott wollte noch immer die Stadt unsicher machen gehen. Wir einigten uns auf einen Kompromiß. Ich würde erst mal unter die Dusche springen, ihn dann aber in eine – laut Reiseführer – für Tierra del Fuego typische Bar begleiten.
    Ich unterdrückte das gequälte Seufzen eines Märtyrers. Nachdem ich geduscht hatte, zog ich mir etwas Bequemes an und traf Scott in der Empfangshalle. Noch bevor wir aufbrechen konnten, stürmte eine kleine Gruppe durch das hölzerne Eingangsportal.
    Der College-Student, das englische Pärchen, der Afroamerikaner und ein fünfter Mann, in dem ich unseren Kapitän erkannte, gesellten sich zu uns. Der Kapitän war der stolze Träger eines üppigen Schnurrbarts. Seine Haut hatte eine dunkle, olivgrüne Färbung. Edith Blackwell hatte uns erzählt, sie hätte gehört, daß unser Kapitän in den ersten Tagen des Golfkrieges aus der Irakischen Luftwaffe desertiert wäre. Sie hatte allerdings keine Ahnung, wie er dann Kapitän auf einem Frachter in Tierra del Fuego geworden war.
    Es sah so aus, als hätte die Hacienda, in der sie eigentlich untergebracht waren, einen totalen Stromausfall. Und unser Schloß konnte eine ganze Armee aufnehmen. Scott informierte sie über unsere Pläne, die Stadt zu besichtigen. Die Blackwells und der Kapitän beschlossen, sich uns anzuschließen.
    Während wir auf sie warteten, zog es mich unwiderstehlich zur Guillotine hinüber. Ich wunderte mich darüber, daß die Klinge nun nicht mehr oben, sondern unten war. Das war auf keinen Fall das dumpfe Geräusch gewesen, das ich gehört hatte. Viel zu weit weg. Andererseits, wer konnte schon wissen, ob sie hier nicht so etwas wie eine Folterkammer anstelle eines Fernsehzimmers hatten, in dem sich die Gäste verlustieren konnten. Natürlich ging da mal wieder meine Phantasie mit mir durch, aber ich mußte zugeben, daß dieser

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