Noch nicht mal alleinerziehend
gleich anrufen, es war ja noch mitten in der Nacht. Nach drei Kaffee, die ihr auch nicht halfen, zu sich zu kommen, ging Nora unter die Dusche. Sie fühlte sich wie unter einer Glasglocke. Sie duschte lange, bestimmt 40 Minuten. Wenn Nora überhaupt duschte, statt wie gewohnt zu baden, dann dauerte das immer ewig. Ihren Ex-Freund Tobi hatte das jedes Mal in den Wahnsinn getrieben. »Nora, wie kann das so lange dauern? Man geht unter die Dusche, wäscht sich und nach zehn Minuten ist man wieder draußen. Fertig«, hatte er sie einmal angefahren, nachdem er in der damals gemeinsamen Wohnung das Bad gestürmt hatte. Nora stand gerade mal 20 Minuten unter der Dusche. Höchstens. »Mir ist noch kalt.«
»Wie kann einem unter der Dusche kalt sein?! Du spinnst doch. Das ganze Bad ist schon beschlagen«, hatte er geschimpft und die Tür hinter sich zugeknallt. Nora konnte das ja auch nicht erklären, aber sie fror anfangs immer unter der Dusche, und es dauerte halt lange, bis sie das wohlig warme Gefühl im Inneren verspürte, das sie beim Baden viel schneller bekam. Heute hatte sie sich für eine Schocktherapie entschieden: kalt, heiß im Wechsel und am Ende zur Belohnung ganz lange ganz heiß. Zwar fühlte sie sich nach der Dusche immer noch erschöpft – ihr Puls raste, ihr Kreislauf schwankte –, aber definitiv war sie wieder bei sich angekommen. Sie trocknete sich ab, stieg in ihren flauschigen, schwarzen Bademantel in XXL und hob ihre Klamotten vom gestrigen Tag vom Boden auf. Als sie sich bückte, schmerzten ihr Kopf und ihre Stirn ein wenig. »Meine Stirn!«, fuhr es Nora durch den Kopf, die noch gar nicht die Beulenplage dort überprüft hatte. Im Bad konnte sie vor lauter Wasserdampf nichts erkennen. Im Schlafzimmer schmiss sie ihre Klamotten aufs Bett und eilte vor den Spiegel über der Kommode. Vorsichtig tastend fuhr sie mit dem Zeigefinger der rechten Hand über die Stirn und betrachtete sie mit Adleraugen. Die Einstiche konnte man immer noch sehen, aber die Schwellungen waren um einiges zurückgegangen. Im Gegensatz zu ihren Augen, die richtig verquollen waren. »Na klasse, JETZT habe ich Schlupflider«, sagte sie zu sich selbst. »Wo habe ich denn dieses Gel? Dieses Echi-Dings-Da…« Sie durchstöberte die oberste Schublade, ihr Kosmetiklager, auf der Suche nach diesem weißen Tiegel mit dem grünen Deckel. Eine Kosmetikerin hatte ihr die Gelmaske mal empfohlen – gegen Schwellungen und allergische Reaktionen im Gesicht. Da! EchinaCare . Sie schmierte sich das Gel ins ganze Gesicht, ihre Stirn bekam eine extra dicke Schicht verpasst. Schließlich strich sie auch etwas auf die Augenlider. Schaden konnte es ja nicht. Zwanzig Minuten später wusch sie die Paste wieder ab und freute sich, dass das Zeug tatsächlich wirkte. Noras Gesicht war nun in einem Zustand, der ihr erlaubte, unter Leute zu gehen und ihren Geburtstag stattfinden zu lassen. Um kurz vor acht rief sie Frauke an, die Kira nie vor halb neun in den Kindergarten brachte.
»Nora?! Warum bist du denn schon wach – um diese Uhrzeit? Ist etwas passiert?«, meldete sich ihre Freundin, die ihre Nummer gleich erkannt hatte.
»Nee, alles gut. Ich hatte gestern so einen tierischen Migräneanfall und bin schon gegen fünf ins Bett gegangen. Ich hab bis kurz vor halb sieben durchgeschlafen.«
»Krass! Geht’s dir besser? Seit wann hast du denn Migräne?«
»Wohl seit gestern. Sag mal, warum ich anrufe: Also, dass du morgen nicht kommst, das geht gar nicht, hörst du! Bring Kira einfach mit. Sie kann mit uns essen, und irgendwann legen wir sie einfach in mein Bett. Ihr könnt auch hier schlafen.«
»Macht dir das auch nichts aus?«
»Quatsch! Ich will dich unbedingt dabeihaben.«
»Aber Kira ist dann den ganzen Abend dabei.«
»So habe ich das verstanden. Ist schon o. k.! Viel wichtiger ist: Ich brauche heute unbedingt deine Hilfe. Ich bin eh so matschig von der Migräne, und ich muss so viel einkaufen. Könnten wir das zusammen machen – mit deinem riesigen Auto?!« Frauke fuhr ebenfalls so eine Familienkutsche, in die locker ein Singlehaushalt reinpassen würde, wenn es sein müsste.
»Eigentlich schon, aber ich muss auch noch für den Kindergarten einkaufen.«
»Na, das ist doch super, dann machen wir das alles zusammen.«
»Aber das ist viel! Bist du sicher?«
»Ja, ja!«, antwortete Nora. Was um Himmels willen sollte Kira schon alles für den Kindergarten brauchen?
»Gut«, sagte Frauke. »Dann komm doch gleich zu mir. Dann fahren wir
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