Noch nicht mal alleinerziehend
Tisch. Auf allen Ebenen! Und dann in den Rausch des freien Falls mit ihm eintauchen …
Sie schliefen lange. Er hatte sich extra den Montag nach ihrem Geburtstag frei genommen. Dennoch war die Nacht kurz gewesen. Als Nora um kurz nach elf in seinem Bademantel die Treppe runterkam, stand er bereits in der Küche und machte Rühreier. Der Tisch war gedeckt, frischer Orangensaft stand bereit, Brötchen, Käse, Quark, Tomatensalat und Melone.
»Perfekt«, freute sich Nora. Auf ihrem Teller lag der Gutschein und eine abgeschnittene Rose. Sie setzte sich und las den Gutschein aufmerksam durch.
»Das ist ja schon nächsten Sonntag!«
»¡Sí!«
»Mariano, das tut mir leid, das geht nicht. Nächsten Sonnntag kann ich auf keinen Fall, da bin ich auf einer Taufe.«
»¿Ah ya? Ist mir ganz neu. Hast du mir nichts erzählt davon.«
Nora fragte sich gerade, warum sie ihm das hätte erzählen sollen, als er fragte: »Und …?«
»Und?«, wiederholte sie.
»Sí. Und?« Er sah ernst aus, ernster als gewöhnlich.
»Und das heißt, wir müssen den Sprung verschieben. Auf jeden Fall!«
Er schaute sie eindringlich an, so als würde er auf irgendetwas warten.
»¡Bueno! Wie du meinst, Nora.« Nora gefiel sein beleidigter Ton gar nicht. Was dachte er sich bloß? Schließlich konnte sie ja wohl unmöglich Kiki wegen eines Fallschirmsprungs die Taufe von Bill und Tom absagen. Männer!
F rau Leinenmacher?«
»Ja?«
»Paketservice hier!«
Nora drückte den Türöffner. Sie hatte Mariano am frühen Nachmittag verlassen. Die Stimmung war irgendwie frostig gewesen. Nora verstand weder, was passiert war, noch, dass er ihr nicht sagte, was ihn verärgert hatte. Sie hasste Spielchen à la »Ich bin echt sauer, aber wenn DU nicht weißt, warum, dann kann ich dir auch nicht helfen«. Sie war sich jedenfalls keiner Schuld bewusst. Und schon gar nicht würde sie so einer Schwere Platz in einer unverbindlichen Affäre gewähren. Das wäre ja noch schöner. Also hatte sie beschlossen, den Rest des Tages lieber alleine zu verbringen. Wieder in ihrer Wohnung hatte sie sich riesig gefreut, wie viele Menschen an sie und ihren Geburtstag gedacht hatten. Sogar ehemalige Klienten hatten ihr Karten oder eine E-Mail geschickt. Nora fühlte sich gut und war gespannt, was ihr wohl der Mann vom Paketservice bringen würde. Bestellt hatte sie nichts. Der Mann kam ächzend die Treppen herauf, in der rechten Hand einen bunten Strauß Tulpen. »Nora Leinenmacher?«, fragte er erneut und wischte sich mit der freien Hand den Schweiß von der Stirn. Das Wetter war unverändert schön, und draußen musste es immer noch ziemlich warm sein. Sie nickte. Der Mann drückte ihr den Strauß entgegen, griff zu einem kleinen Scanner und sagte kurz angebunden: »Unterschreiben.«
Nora setzte ihr Kürzel.
»Tschüss!«
»Tschüss und noch einen schönen Tag!«
»Ja, ja«, brummte der Mann, als er bereits die Treppen runtersprang.
Nora ging in die Küche, holte eine Vase aus ihrem Buffet, füllte Wasser ein, streute ein wenig Zucker dazu – ein Tipp ihrer Mutter –, schnitt die Blumen an und stellte sie ins Wasser. Im Strauß steckte ein großer, lilafarbener Umschlag. Nora zog ihn heraus und öffnete ihn. Ein Foto fiel ihr entgegen, das sie gekonnt auffing. Es zeigte Kim im feinen Anzug, stehend, an seiner rechten Hand Anton, ebenfalls im Anzug. Kims linke Hand ruhte auf Maries Schulter, die vor ihm auf einem Stuhl saß. Marie trug ein Kleid mit Spitzenkragen und hatte Claire auf dem Schoß, die ebenfalls ein Kleidchen mit Spitzenkragen trug. Alle schauten sehr ernst und vornehm. Das Bild war auf alt getrimmt. Nora lächelte. Eine großartige Idee. Sie klappte die Karte auf. Geliebte Nora , stand dort, alles, alles Liebe zu deinem 27. Geburtstag. Mögen all deine Wünsche und Sehnsüchte im neuen Lebensjahr erfüllt werden. Auf dass du findest, wonach du suchst. Damit du dich entspannt auf diesen Trip begeben kannst, laden wir dich zu einem Wellnesstag mit Kim ein. Es ist für alles gesorgt. Du musst nur noch sagen, wann du kannst. Wir lieben dich von ganzem Herzen – Kim, Marie, Anton und Claire! »Wow«, sagte Nora laut und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. In letzter Zeit liefen ihr öfter als gewohnt die Tränen, das nervte.
Am Dienstagabend saß sie im Unkelbach und wartete auf Kim. Es war kurz vor acht. Um halb acht waren sie verabredet gewesen, und obwohl Nora selbst erst um Viertel vor die kölsche Kneipe auf der Luxemburger Straße
Weitere Kostenlose Bücher