Noch nicht mal alleinerziehend
getrennt.
»So«, sagte Mariano. »Jetzt müssen wir dir die Augen zubinden!«
»Was?«
»¡Sí, señora!« Mariano hielt einen schwarzen Schal in der Hand und band ihn ihr um die Augen. Nora kriegte ab da nur noch mit, dass sie ein paar Mal abbogen, irgendwo anhielten, Mariano das Fenster öffnete, seinen Namen sagte. Das Fenster ging wieder hoch, das Taxi fuhr an und stoppte dann, nicht mal eine Minute später. Der Motor kam zum Stehen, Mariano stieg aus. Kurz darauf öffnete sich die Tür auf Noras Seite, und Mariano griff ihre rechte Hand. »¡Ojo! Du musst sein sehr, sehr vorsichtig.«
Nora suchte ihre Clutch auf der Rückbank, griff sie und stieg unbeholfen aus.
»Ganz langsam, ich bin ja hier.«
»Mmmmh«, sagte Nora und wusste nicht, ob sie das hier gerade mochte oder nicht. Sie war nicht gerne abhängig.
»So, und jetzt musst du mir einfach folgen. ¿Oyes?«
Folgen mochte Nora auch nicht so gerne … Ein kühler Frühlingswind strich ihr um die Beine. Sie mussten auf irgendeiner offenen Fläche stehen, asphaltiert, auf jeden Fall. Tapsig und unbeholfen folgte Nora ihm. Vielleicht hätte sie doch andere Schuhe wählen sollen, überlegte sie gerade, als er sagte: »Stopp, hier stehen bleiben.«
Abrupt blieb sie wie angewurzelt stehen.
»Nora, du musst haben keine Angst, aber ich greife jetzt nach deine rechte Bein. Dann stelle ich das auf eine Treppe. Ganz locker, ja?!«
Auch wenn Nora die Situation nicht geheuer war, aber definitiv machte es sie an, wie er ihr Bein an Wade und Knöchel griff und es auf eine für sie ziemlich hohe Stufe stellte.
»Und jetzt mit die andere Bein auch. Kein Angst, dir kann nichts passieren, ich halte dich.«
Nora stand jetzt erhöht.
»¡Atención! Da kommt eine Hand. Nimm sie und lass dich führen. Und jetzt zieh den Kopf ein! Ich bin direkt hinter dir.«
Von vorne griff jemand Noras Hand und sagte: »Kopf einziehen und einen kleinen Schritt nach vorne.«
Nora stand nun in einem ziemlich kleinen, niedrigen Raum. Etwas unsensibel wurde sie hin und her geschoben und landete unsanft auf einem Sitz. Es roch nach Benzin.
Mariano setzte sich kurz darauf neben sie. Er löste den Schal von ihren Augen und sagte: »Taraaa!« Sie saßen in einem Hubschrauber.
»Du bist ja irre!«, schrie Nora begeistert.
»Das hier ist Pedro, ein Freund von mir.« Er grinste breit und zeigte auf einen untersetzten, mittelgroßen Mann mit fast schwarzen Locken, der eine Pilotenjacke trug und seine weißen Zähne aufblitzen ließ.
»Hallo Pedro«, hauchte Nora.
»¡Hola! Wir machen einen kleinen Ausflug.« Er reichte ihnen Ohrenschützer und zwei Helme, die sie sofort anzogen. Mariano griff in einen Sektkübel links neben sich, ließ den Korken knallen, füllte zwei Gläser und reichte ihr eins. »Auf dich und dein neues Jahr! Ich wunsche dir von Herzen, dass du alles bekommst, wovon du träumst, ¡mi piba!«
Pedro ließ den Heli an, der mit scharfem »Schtschtschtschtscht« antwortete.
»Du spinnst doch. Das ist viel zu teuer«, entgegnete Nora entgeistert und vergaß völlig, dass auch Pedro sie über die Kopfhörer hören konnte.
Der lachte. »Nix. Mariano ist guter Freund aus Argentina. Fertig?!«
Sie hoben ab und flogen über die Altstadt Richtung Rodenkirchen, von da aus zurück zum Dom und kreisten über der Stadt. Wie kleine Sterne leuchteten die Lichter Kölns. Mariano hatte den Arm um Nora gelegt und drückte sie eng an sich. »Schön, oder?«, sagte er. »Ja«, hauchte sie und hätte ihn am liebsten auf der Stelle geküsst.
Nach 40 Minuten landeten sie auf einer etwas außenliegenden Bahn des Privatflugplatzes, über den Nora eben blind gewankt war. Das Taxi wartete an der Zufahrt.
»Pedro, vielen Dank, das war ein Traum«, verabschiedete sie sich und umarmte ihn herzlich.
»Für die chica von Mariano …«, sagte er nur und tätschelte ihren Rücken.
Oh Gott, dachte Nora und verspürte das dringende Bedürfnis zu erklären, dass sie gar nicht Marianos Mädchen war. Sie kannten sich ja gerade mal zwei Wochen. Doch sie beschloss, dass die Erörterung ihres Verhältnisses hier und jetzt völlig unpassend sei. Also lächelte sie nur. Die Männer verabschiedeten sich mit einem wilden Faustabschlag unterschiedlichster Figuren, stießen mit den Schultern aneinander, klopften sich derbe auf die Rücken und küssten sich abschließend rechts und links auf die Wangen.
Es war halb neun, als sie auf der Rückbank im Taxi sein Gesicht in die Hände nahm und ihn auf den Mund
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