Noch nicht mal alleinerziehend
Beziehung zu einem Mann ohne Bock auf Sex war ganz klar eine Freundschaft. Basta! Gespannt wartete sie auf die Antwort aus ihrem Inneren. »Nein«, meldete sich eine zarte Stimme in ihr. »Nein! Früher ja, aber heute? Nein, wirklich nicht!«, fügte diese mit mehr Überzeugung hinzu. »Gut!«, sagte Nora wieder laut. »Dann hören wir jetzt sofort auf mit dem Blödsinn! Tobi wird Vater und heiratet. Alles ist, wie es sein soll!« Auch wenn sie im Herz noch nicht fühlen konnte, was ihr Verstand ihr gerade diktiert hatte, stand sie auf, streckte sich ausgiebig und begann, alle Vorhänge aufzuziehen. Die Sonne strahlte ihr entgegen. Dann schaltete sie Telefon, Handy und ihren Laptop ein. Nora checkte wieder ins Leben ein.
»Nora?! Wo steckst du?« Frauke war die Erste, die sie erreichte. Es war kurz vor zwölf. »Mensch, ich hab mir schon Sorgen gemacht, ich versuche dich seit Tagen zu erreichen, aber nicht mal dein AB lief.«
»Alles gut. Bin nur ein paar Tage auf Tauchstation gegangen.« Nora war nicht danach, jetzt im Detail die Ereignisse seit der Taufe aufzuarbeiten.
»Und warum bist du nicht hier? Wir sitzen hier schon seit einer Stunde.«
»Wer? Wo?«, fragte Nora verwirrt und öffnete ihren Kalender, um nachzusehen, ob sie irgendetwas vergessen hatte.
»Na, alle Mädels. Im Hallmackenreuther. Seit elf! Du erinnerst dich? Unser Mädchenbrunch. Wir haben das doch wegen der Taufe von Bill und Tom auf heute gelegt.«
»Davon wusste ich nichts. Ehrlich.«
»Kiki hat das selbst organisiert.«
»Scheiße! Scheiße! Scheiße! Gib sie mir mal«, hörte Nora Kiki im Hintergrund.
»Nora?! Sorry. Tausendmal sorry. Ich habe völlig vergessen, dir Bescheid zu sagen. Irgendwie habe ich nur an Mütter gedacht und an Schwangere …« Sie lachte verlegen. »Ich hatte dich einfach nicht auf dem Schirm. Bist du mir böse? Komm doch eben nach!«
Nora schluckte. Seit sieben Jahren hatten sie jeden ersten Sonntag im Monat diesen Brunch. Und jetzt war sie draußen. Das passte ja wie die Faust aufs Auge. Nora schossen die Tränen in die Augen, und ihre Stimme bebte, als sie sagte: »Böse, warum sollte ich böse sein?! Ich kann mir ja nächsten Monat ein Kind leihen. Ich könnte auch meine Neffen oder meine Nichte mitbringen. Am besten alle drei. Sag einfach Bescheid, was besser passt. Vielleicht hast du mich ja dann wieder auf dem Schirm.« Nora knallte den Hörer auf. Kurz darauf klingelte es erneut. Nora überließ es ihrem Anrufbeantworter, sich mit Kiki und ihrem schlechten Gewissen auseinanderzusetzen. Das Gespräch hatte Nora angestrengt, sie hatte ja eine Ewigkeit mit niemandem außer sich selbst geredet. Und dann das. Erholung. Nora brauchte unbedingt Erholung. Ihr fiel der Gutschein mit der Hot-Stone-Massage in die Hände, den sie zum Geburtstag bekommen hatte. Ja, das war jetzt genau das Richtige. »Morgen«, dachte sie. Nora war müde. »Nur ein Viertelstündchen …«, sagte sie sich und kroch in ihr Bett. Sie schlief bis halb neun abends, stand kurz auf, aß eine Misosuppe und ging gleich darauf wieder ins Bett.
Am nächsten Morgen fand sie, dass es an der Zeit war, das Chaos in ihrer Wohnung zu beseitigen. Sie machte ihren MP 3-Player an, drehte die Lautstärke nach oben und öffnete alle Fenster. Sie sammelte den Müll ein und brachte ihn zu den Mülltonnen im Hof. Im Hausflur fiel ihr Blick auf ihren überquellenden Briefkasten. Sie öffnete ihn, um ihn zu leeren. Ein großer, weißer Umschlag erhaschte sofort ihre Aufmerksamkeit. Sie nahm ihn und schaute auf den Absender: Tobias Fritsche und Daniela Krämer. Sie wusste sofort, was sich in diesem Umschlag befand. Den würde sie heute auf gar keinen Fall öffnen, später vielleicht, irgendwann. Wieder in ihrer Wohnung legte sie die in unschuldiges Weiß gehüllte Manifestation von Tobis Hiobsbotschaft auf ihren Sekretär und öffnete die restliche Post. Dann spülte sie, staubsaugte, bezog ihr Bett frisch und stopfte gerade eine Ladung Wäsche in die Maschine, als es klingelte. Kim stand vor der Tür. »Um Gottes willen, wie siehst du denn aus?«, fragte er ernsthaft besorgt, als sie ihm widerwillig die Tür öffnete.
»Was machst du hier?«
»Wir sind verabredet. Wir wollten dein Geburtstaggeschenk einlösen. Du erinnerst dich? Unser Wellnesstag?«
»Oh …« Kim hatte vollkommen Recht. Bei ihrem Treffen im Unkelbach hatten sie das ausgemacht. Hatte sie voll vergessen.
»Nora, ich versuche dich seit Tagen zu erreichen. Frauke auch. Du gehst nicht ans
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