Noch nicht mal alleinerziehend
nicht nur Tobi, sondern auch die Brauteltern höchstens einen Steinwurf entfernt neben ihnen standen, zum anderen, weil ihr das völlig absurd vorkam. »Gundis, das ist doch schon so lange her. Und Jakob und ich sind immer noch Freunde. So wird das auch immer bleiben. Mich wirst du sowieso nicht mehr los.«
Später zog Gundis sie zur Seite. »Und? Tobi? Ist er der Richtige?«
»Du weißt doch, das mit der Ehe ist nichts für mich.«
»Was ist nur los mit euch jungen Frauen? Ihr seid so schrecklich kapriziös und macht es auch so furchtbar schwer. Von uns habt ihr das nicht. Sei doch nicht dumm, Nora. Du kannst in der Ehe das beste Leben führen. Alles, was du machen musst, ist deinen Mann samstags fragen, wie sein Fußballclub gespielt hat. Und wenn ihr streitet, dann sagst du: ›Du hast ja Recht, Schatz‹. Und dann ziehst du trotzdem dein Ding durch. Das ist so herrlich einfach.«
Nora hatte Gundis mit großen Augen angesehen. Das hörte sich furchtbar an und bestärkte sie in ihrem eigenen Lebensentwurf. Sie hatte ganz andere Vorstellungen von der Liebe.
Wann war zum ersten Mal ihr Plan vom Glück hinterfragt worden? Ja, klar. Vor vier Jahren, als sie mit Senta in Urlaub gefahren war. Nach Formentera. Ihr Bruder Jo war mit Frau und Kindern da. Und Sentas Schwester Tina, ihr Schwager Ernst und Sentas Neffe machten ebenfalls zur selben Zeit dort Urlaub. Ein riesiger Familienurlaub war das geworden. Sie saßen an ihrem Lieblingsstrand, dem Pirata, als Ernst plötzlich fragte: »Nora, was ist eigentlich mit dir und Kindern?«
»Oh, Ernst, das ist ganz schlecht. Saturn steht in meinem achten Haus. Der blockt da alles. Selbst wenn ich wollte, würde das ein äußerst aussichtsloses Unterfangen. So steht’s in den Sternen«, hatte Nora Luna zitiert, die ihr zu ihrem 33. Geburtstag ein Horoskop erstellt hatte. Senta kicherte. Jo hatte die Augen verdreht, während seiner Gattin ein »Phhh« entwischte. Ernst hatte sie nur angesehen und gesagt: »Du spinnst, Nora!«
Ein wenig später hatte Nora sich die Kinder geschnappt und war mit ihnen hoch zur Strandbude gegangen, wo sie einen Kurzen auf Eis nahm und Marc und Mina in den gleichen kleinen Schnapsgläsern einen Eistee bekamen. Nora wusste auch nicht, warum und wie, aber in kürzester Zeit waren sie umringt von Marcs und Minas unzähligen Strandbekanntschaften, die alle durcheinander auf Nora einredeten. Der kleine Pascal hatte mehrfach verlangt, auf Noras Schoß zu sitzen, so dass sie schließlich nachgegeben hatte. Da saß sie nun, wie die Jungfrau Maria, die plötzlich ganz unverhofft zu viel zu vielen Kindern gekommen war, und hörte ihnen aufmerksam zu. Sie erzählten von den mutigen Abenteuern Harry Potters, berichteten von gefundenen Seesternen, ersten Versuchen im Beachvolleyball oder aufregenden Wellenerlebnissen und sangen die neusten Kinderlieder. »Hey, Nora«, hatte Ernst amüsiert vom Strand gerufen. »Saturn im achten Haus?! Klar!« In diesem Urlaub war Nora der heimliche Star aller Kinder. Wenn sie zum Strand kam, riefen sie ihren Namen, wollten mit ihr schwimmen gehen oder bei ihr auf dem Handtuch liegen – am liebsten auf ihr. Aber da lag meistens schon Pascal, den Nora, ohne es zu wissen, in diesem Urlaub adoptiert hatte. Sie hörte peinlich berührte Eltern ihren Kindern zuflüstern: »Jetzt lass die Nora mal, die möchte bestimmt auch mal alleine schwimmen gehen«, während sie Nora entschuldigend anlächelten. »Passt schon«, hatte sie geantwortet. Ernst wurde nicht müde, immer wieder zu betonen, was für eine tolle Mutter Nora abgeben würde und dass es völliger Irrsinn und gegen die Natur sei, wenn sie keine Kinder bekäme. Nora überlegte weiter. Dann war da noch dieser Geburtstag gewesen. Letztes Jahr. Nadine, mit der Nora aufgewachsen war, hatte sie völlig unerwartet auf ihren 35. Geburtstag eingeladen. Nora war hingegangen, ohne Tobi. Nora war ja jetzt Single. Als sie beim Nobelitaliener auf der Dürener Straße in Köln-Lindenthal ankam, fand sie einen Raum mit eingedeckten langen Tafeln für die über 80 Gäste vor. Natürlich gab es eine Sitzordnung. Noras Tisch war der letzte im ganzen Raum – zwischen Küche, Klo und Getränkebar. An ihrem Tisch saßen – nur Frauen. Singles, oder solche, deren Männer aus irgendeinem Grund nicht dabei waren. Die anderen Ladys fanden das nicht so komisch und rechtfertigten, nachdem sie erkannt hatten, was sich hier abspielte, die Gründe, warum sie ohne Mann da waren oder warum sie gerade
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