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Noch nicht mal alleinerziehend

Noch nicht mal alleinerziehend

Titel: Noch nicht mal alleinerziehend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dunja M Pechner
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war es besser. Jetzt fremdelte sie unter all den Menschen. Die Galerie war pickepackevoll. Kunstliebhaber, Kritiker, Familie und Freunde waren gekommen und bestaunten Kims jüngste Werke – eine Mischung aus Fotografie und Ölbildern unter dem Motto »Ein Moment …«. Kim hatte sie kurz begrüßt, sie in den Arm genommen und gesagt: »Wenn du durch die Ausstellung gehst, halt die Augen offen. Ich habe eine Überraschung für dich!« Wenig später stand sie, ganz alleine, ein Champagnerglas umklammernd, vor einem großen Ölgemälde mit dem Titel »… tiefer Freundschaft«. Es zeigte einen Kopf, der zu jeder Seite ein Profil trug. Rechts erkannte Nora Kims Profil, links fand sie ihr eigenes. Sofort liefen ihr Tränen über die Wangen. Diese Überraschung war so ergreifend, dass es wehtat. »Süße, was ist denn los?«, Frauke war neben sie getreten.
    »Das ist so …«, stammelte Nora.
    »Ja, ich glaube, das ist der schönste Freundschaftsbeweis, den ich je gesehen habe. Du solltest dich freuen.«
    »Ich freue mich ja.« Jetzt schluchzte sie hemmungslos.
    »Süße?! Komm, ich bringe dich hier raus.« Frauke griff Nora am Arm und führte sie durch den Hinterausgang der Galerie nach draußen. »Warte hier, ich hole nur noch schnell unsere Jacken, ja?!« Sie ließ Nora auf der Seitenstraße zurück. Die Luft war klar, es ging ein leichter Wind, und es roch herrlich frisch – nach Sommer. Wenig später kam Frauke zurück, reichte ihr ihre Jacke und sagte: »Ich weiß, wo wir jetzt hingehen. Da können wir auch in Ruhe sprechen.« Sie gingen in eine kleine, französische Weinbar, in der nur ein Pärchen saß. Frauke deutete auf einen Tisch im hinteren Teil der Bar. Sie bestellte eine Flasche Merlot, Jahrgang 2008. »Aber du bist doch schwanger«, sagte Nora erstaunt. »Ein Gläschen ist o. k. Ich steig gleich um auf Wasser. Der Rest ist für dich.« Als Frauke den Wein fachmännisch gekostet hatte und ihre gefüllten Gläser vor ihnen standen, fragte sie: »Nora, was ist denn los? Ich dachte, die Gespräche mit dieser Frau tun dir gut?!«
    »Tun sie ja auch. Es wirbelt nur so viel auf: Gedanken, Gefühle, Fragen …«
    »Was denn zum Beispiel?« Frauke sah besorgt aus. Nora erzählte von ihrer heutigen Sitzung. Dass Rosa ihr etwas über Selbst- und Fremdwahrnehmung erzählt hatte und dass Noras Wahrheiten noch lange nicht die der anderen sein mussten. Nora beschrieb, wie Rosa sie mit Fragen bombardiert hatte.
    »Was für Fragen?«, wollte Frauke wissen, die jetzt ihre Hand auf Noras gelegt hatte.
    »Kann man hier rauchen?«, fragte Nora.
    »Nein, Nora. Das ist doch verboten.«
    »Scheiße.«
    »Was für Fragen hat sie dir gestellt?«, wiederholte Frauke.
    »Zum Beispiel, ob Heiraten die logische Folge einer langjährigen Partnerschaft sei. Oder der dramaturgische Höhepunkt einer romantischen Beziehung. Ob ich akzeptieren kann, dass es für manche etwas Magisches ist – ein mystisches Ritual, dessen Zauber sie enger aneinander bindet … Ob ich das akzeptieren kann oder es für ein törichtes Unterfangen halte. Ob ich Angst habe, ernsthafte Beziehungen einzugehen. So etwas halt.«
    »Gott, wie hast du dich dabei gefühlt?«
    Nora musste lächeln, das hätte Rosa jetzt auch gefragt. »Ein bisschen wie auf dem Verhörstuhl. Da hat nur noch eine Lampe gefehlt, die mir grell ins Gesicht strahlt und mich blendet.«
    Frauke lachte nicht über Noras ironische Bemerkung. »Und, was hast du geantwortet?
    »Dass das alles nicht für mich gilt, aber dass ich Respekt habe vor Menschen, die sich für die Ehe entscheiden. Ich halte die Ehe für einen ehrlichen Versuch, für einen romantischen Gedanken, der meist nur in Hollywood-Possen sein Happy End findet. Als ich ihr das gesagt habe, fragte sie mich, ob ich Angst vor ernsthaften Beziehungen hätte. Das fand ich fast schon frech! Und als sie dann noch nachgehakt hat, ob ich nur vorgeben würde, mich zu binden, mir aber immer eine Hintertür offen halte, da konnte ich gar nichts mehr sagen. Nichts, Frauke.«
    Frauke strich ihr zärtlich über die Hand, da Nora schon wieder die Tränen in die Augen schossen.
    »Und dann, als ich sagte, ich sei gerne frei, weißt du, was sie da geantwortet hat?«
    »Nein, Nora.«
    »Wer frei ist, reist mit der Einsamkeit.« Da kullerten sie wieder, die Tränen. »Ich habe halt gerne alles unter Kontrolle. Ich will mich nicht ausliefern – weder irgendwelchen Umständen noch anderen Menschen. Ich will mich nicht verlieren. Und als ich das gesagt

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