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Noch Viel Mehr Von Sie Und Er

Titel: Noch Viel Mehr Von Sie Und Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen von der Lippe
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unterstützt durch hohe Taille und weit ausschwingenden Rock. Das war 1958 unter dem Namen ›Trapezlinie‹ Yves Saint Laurents erster großer Knaller und wird seitdem immer mal wieder aufgewärmt. Das Motto der Mode lautet einfach: Variatio delectat oder auch: Öfter mal was Neues. Manchmal lassen sich auch einzelne Künstler einen speziellen Look auf den Leib designen. Ich meine jetzt weniger meine bunten Hemden, wie Sie vermutlich annahmen, sondern Madonna und ihre Korsagen von Gaultier mit den Brustbehältern, die aussahen wie die Spitzsiebe, mit denen ich beim Kochen eine Gemüsesauce passiere. Wie konnte es dazu kommen?
    Gehen wir einfach mal zu Adam und Eva zurück: Sie stellten die Gesamtpopulation im Paradies dar und trugen angeblich Feigenblätter, in Wirklichkeit natürlich nichts, denn sie waren sich ihrer Nacktheit nicht bewusst bzw. lernten erst mit dem Rausschmiss nach dem Sündenfall, etwas dabei zu finden. Der Zwang, die Blöße zu bedecken, ist also Teil der Erbsünde. »Gottseidank«, hätte die Modebranche unisono gebrüllt, wenn es sie damals schon gegeben hätte, tatsächlich ist sie wahrscheinlich entstanden, als ein feminin wirkender Neandertaler, den man zur Jagd nicht brauchen konnte, zur Handarbeitsgruppe abkommandiert wurde, wo er durch abgefahrene modische Einfälle wie das Verzieren eines Büffelfellumhanges durch Warzenschweinschwanzapplikate bald von sich reden machte. Zwei Dinge passierten dann kurz nacheinander: Die Obermacker, die natürlich auch die stärksten Burschen waren, beanspruchten die Exklusivrechte für Warzenschweinschwanzapplikate an Büffelfellumhängen, ihre Lebensabschnittsgefährtinnen gaben unserem Urlagerfeld flugs den Auftrag, eine spezielle Exklusivmode für Obermackerpartnerinnen zu entwerfen, die zu Büffelfellumhängen mit Warzenschweinschwanzapplikaten passt. Irgendwann hatte unser Modezar die Faxen dick, er fühlte sich unterbezahlt und nicht genügend hofiert, dann schneiderte er sich erst einmal selbst ein Outfit, das ihn schon von Weitem als friedlichen Paradiesvogel auswies, Oberbekleidung aus hellem Hermelin, unten knallenge Kalbslederleggins, Pferdeschwanz und ein Sonnenschirm aus Pfauenfedern. Zu guter Letzt verließ er die Urhorde und verdingte sich zu weit besseren Konditionen bei der Konkurrenz, woraufhin die Weiber der alten Gruppe dem Chef ein ziemlich hartes Jahr bereiteten, was bei der geringen Lebenserwartung der Leutchen damals nicht wenig war. Unser Freund Karl der Erste kam bei seinem zweiten Job dann auf die geniale Idee, für jedes erlegte Mammut eine eigene Troddel anzunähen, etwas, was später das Militär in Form von Rangabzeichen und Orden kopieren sollte. Die Mode hatte Informationswert: Ranghohe und reiche Menschen trugen Klamotten, denen jeder ansah, dass ihr Träger am vorderen Ende der Nahrungskette stand, die Berufsgruppen folgten nach, z. B. Piraten mit ihrer typischen Kluft bestehend aus Kopftuch, Augenklappe, weit geschnittenem weißen Hemd mit offener Brust, Schärpe, Säbel, Kniehose und Holzbein. Dass der Piratenlook ähnlich wie das Ritteroutfit oder der Musketierlook, aber auch Cowboy- und Indianertrachten heute noch so populär sind, dass sie gern als Karnevalskostüm von Menschen getragen werden, die völlig anderen Milieus entstammen, hat einerseits mit der Popularisierung dieser Figuren durch Literatur und Film zu tun, zeigt aber auch, dass die jeweiligen unbekannten Designer einen richtig guten Job gemacht haben, denn das Piratenhemd oder der Militarylook sind echte Evergreens, geschlechterübergreifend. Wie auch das Hawaiihemd, das Anfang der Dreißigerjahre in Mode kam und nach wie vor unterschiedlich rezipiert wird, mal als Ausdruck eines speziellen, weltmännischen Lebensgefühls, mal als sicherer Unterschichtsindikator, speziell bei Spiegellesern und -schreibern. Was ich mir ganz sicher noch zulegen werde, ist ein glockig geschnittener Lodenumhang mit kurzer Knopfleiste am Halsausschnitt, und jedem, der mich fragt: »Was ’n das?«, kann ich antworten: »Das nennt man Kotze«, kleine Pause, »von althochdeutsch ›chozzo‹, grobes Wollstück.« »Und warum trägst du das?« »Wegen des Namens, aus diesem Grunde werden sogar häufig Ehen geschlossen, da kann ich mir doch wohl einen Lodenumhang kaufen!«

SIE Alter
    Im Laufe des Lebens nimmt das Alter ständig zu. Das ist auch besser als anders herum. Sonst wüsste man ja genau, wann endgültig Schicht ist und die Geburtstage kämen einem Countdown zum

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