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Nochmal tanzen - Roman

Nochmal tanzen - Roman

Titel: Nochmal tanzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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Zu Hause sagt sie: «Ich möchte alleine sein», bevor sie in ihr Zimmer verschwindet.

8
    Fleur klingelt. Nichts regt sich. Sie drückt noch einmal auf den Klingelknopf. Endlich öffnet Alice die Tür. «Entschuldige, ich war mit Alexander am Telefon. Komm herein.» Fleur tritt ein, gibt Alice die Hand.
    «Ich habe Alexander von deinen Fotos erzählt. Er ist Architekt und interessiert sich für Kunst.»
    «Oh», Fleur lächelt. Hat Alice mit Kunst ihre Fotos gemeint?
    «Magst du eine Tasse Tee trinken, oder willst du dich gleich an den Computer setzen?»
    Fleur ist hungrig, traut sich aber nicht, nach einem Stück Brot zu fragen. Sie streckt Alice den Flyer entgegen, den sie von der Schule mitgenommen hat. «Ich dachte, das könnte Sie, äh dich, interessieren.»
    Alice liest: «Großmütter und Großväter gesucht. Der Theaterclub wird als Nächstes ein Generationenstück über die Liebe erarbeiten. Dafür suchen wir Seniorinnen und Senioren, die gerne tanzen und Theater spielen. Vorkenntnisse sind keine nötig, nur Offenheit und die Bereitschaft, regelmäßig zu proben.» Alice strahlt. «Ich habe vor ein paar Tagen einen Tanzfilm gesehen und gedacht, wie schön es wäre, wieder einmal zu tanzen. Machst du auch mit?»
    «Die Bühne ist nichts für mich.»
    «Dann kenne ich ja gar niemanden.» Alice zeigt Richtung Arbeitszimmer. «Wollen wir?»
    Fleur nickt und folgt ihr.
    «Cola, Wasser, Tee, Apfelsaft? Ich habe Cola gekauft, weil ich dachte, dass du das magst.»
    Fleur bittet um ein Glas Apfelsaft und beginnt, die Computerdokumente zu sortieren. Alice sieht ihr zu. «Das begreife ich nie.»
    «Es ist nicht kompliziert. Ich schreibe es dir Schritt für Schritt auf. Notfalls kannst du mit der Lupe», Fleur zeigt auf den Bildschirm, «alles finden.» Sie schreibt auf einen Papierblock, wie Alice vorgehen muss, um ihre Dokumente abzuspeichern und sie wieder zu finden.
    Plötzlich fragt Alice: «Ist das Schulhaus groß?»
    «Ziemlich.»
    «Wie finde ich den Proberaum?»
    «Ich begleite dich hin, wenn du magst. Wir können uns am Donnerstagabend um sechs Uhr vor dem Schulhaus auf dem Hügel treffen. Weißt du, wo das ist?»
    Alice nickt.
    «Nimm Alexander mit. Es hat sicher zu wenig Männer.»
    «Mal sehen.»
    «Wie heißt Alexander mit Nachnamen? Mein Vater ist auch Architekt.»
    «Seibt. Er hat einiges gebaut in der Stadt.»
    Alice setzt sich vor den Bildschirm und liest Fleurs Anleitung durch. Wo hat sie die Bilder abgelegt? Sie schreibt «Fotos» neben die Lupe, wartet. Sie wird tanzen. Mit Jungen zusammen auf der Bühne stehen. Sie hat sich schon lange keine Choreografie mehr merken müssen. Kann sie das noch? Früher schaute sie sich eine Schrittkombination an, machte sie nach, und schon war sie im Körper. Das wird nicht mehr gehen. Der Computer zeigt ihr den Ordner mit den Fotos an. Sie öffnet eines der Porträts. Sie ist weiß geworden. Weiß wie ihre Großmutter. Muss sie tanzen wie die Jungen? Womöglich zu dieser Bumbum-Musik? Sie sieht aus dem Fenster. Die getigerte Katze wälzt sich mitten auf der Straße auf dem Rücken. Dass sie keine Angst hat, überfahren zu werden. Auf einem der Parkplätze wird ein Auto angelassen. Blitzschnell dreht sich der Tiger auf die Füße und rennt davon. Also doch Angst. Ein «Bling» holt Alice aus den Gedanken. Sie öffnet die E-Mail.
    Liebe Alice
    Hat sich Dein Macho wieder gemeldet? Oder müsste ich «alte Schule» sagen? Du schreibst so wohlwollend über ihn, dass er entweder ein außerordentliches Mannsbild ist oder Du die rosa Brille aufhast.
    Während Du Dich in die Arme eines Mannes wirfst, sehne ich mich danach, alleine zu sein. Ich habe immer Leute um mich. Kunden, Nachbarinnen, Verwandte. Was die sich die ganze Zeit zu erzählen haben. Vorhin im Bus, der Nachbar hat, die Marktfrau sagt, im Tempel habe ich gehört, der Mangopreis sinkt, die Tochter des Postbeamten heiratet, die Zähne der Nudelsuppenköchin sind schlecht. Ziehe ich mich in mein Zimmer zurück, fragen sie, ob ich krank sei. Lese ich in ihrer Gegenwart, lassen sie sich nicht stören.
    Lieblingsthema sind Schönheitsköniginnen. Gestern haben Nachbarinnen gemeckert, weil im Dorf nebenan eine den «Miss Moonshine»-Titel gewonnen hat, die ihre Nase nicht operieren ließ. Ich habe mich weggewünscht.
    Bei einem Treffen des Schweizer Clubs erging es mir nicht besser. Pong schickte mich hin. Er meinte, es täte mir gut, mit Menschen meiner Heimat zusammen zu sein. Es gab Schweizer Bier, japanische

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