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Nochmal tanzen - Roman

Nochmal tanzen - Roman

Titel: Nochmal tanzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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Programmheft bis zu den Figuren war alles selbst gemacht.
    Sie schaut auf die Schulhausuhr. Alice wird sich doch nicht verlaufen haben. Zwei Drittklässler bleiben neben ihr stehen und sehen zu, wie eine Erstklässlerin mit langem schwarzem Haar Richtung Fahrradständer schlendert. «Wetten, ich schaffs?», sagt der Größere. «Zu jung», der andere. Der Größere rennt der Erstklässlerin hinterher, spricht sie an. Fleur kann nicht verstehen, was er sagt. Die Schülerin lächelt verlegen. Als er wieder etwas sagt und ihr einen Kugelschreiber entgegenstreckt, schreibt sie etwas in seine Hand. Fleur schaut den Weg hinab. Endlich taucht Alice auf. Ist sie es wirklich? Sie geht nicht wie eine alte Frau.
    «Fleur, ich weiß nicht, ob ich das schaffe», sagt Alice, kaum ist sie in Hörweite. «Ich bin nicht mehr so fit.»
    «Sicher schaffst du das. Du bist ja nicht die einzige ...» Sie will nicht «Alte» sagen, aber «Großmutter» ist Alice nicht. «... Rentnerin.» Alice hält sie an den Schultern und küsst sie zur Begrüßung auf die Wange.
    «Kommt Alexander nicht?»
    «Ich habe ihn nicht gefragt.»
    Im Proberaum hängt Alice die Jacke auf und zieht hautfarbene Schläppchen mit kleinen Absätzen an. Fleur sieht sich um. Zwei grauhaarige Männer und zwei ältere Frauen stehen in Begleitung von Schülerinnen und Schülern um Jana herum. Pascal ist auch da. Er beachtet Fleur nicht.
    Nach einer Vorstellungsrunde lässt Jana die Schüler und Rentner den Raum diagonal durchschreiten. «Ihr seid wütend», weist sie an. Alice ballt die Hände zu Fäusten und geht fest auftretend hinter Manu her. Fleur drückt auf den Auslöser. Wie klein Alice ist.
    «Jetzt ist es kalt», ruft die Regisseurin. Manu stellt einen fiktiven Kragen hoch, zieht den Kopf ein. Alice reibt sich beim Gehen die Arme.
    «Tust du das wirklich, wenn du im Winter durch die Straßen läufst? Geh in die Situation rein, sei aufrichtig, Alice.»
    Alice bleibt stehen und schaut Jana ratlos an.
    «Vergiss, dass du Tänzerin warst, bewege dich natürlich.»
    «Ich gehe so.»
    «Stell dir vor, du gehst einkaufen und du frierst. Vielleicht hilft es dir, eine Jacke anzuziehen.»
    Alice streift eine Jacke über, die ihr Lis reicht, steckt die Hände in die Taschen und durchquert so rasch sie kann den Raum.
    «Gut, aber die Bewegung ist zu groß, mach sie privater.»
    Fleur zoomt Alice’ Gesicht heran. Rote Ohren, Flecken auf den Wangen. Jana sollte rücksichtsvoller vorgehen. Alice ist keine Schülerin, die herumkommandiert werden kann.
    «Bitte bildet Paare zwischen Jung und Alt.» Pascal geht auf Alice zu und verneigt sich scherzhaft vor ihr. Alice knickst. Die Alten sollen die Jungen, ohne sie zu berühren, durch den Raum führen, leitet Jana an.
    Einer der Senioren fängt zu sprechen an, «geradeaus, links, zurück». Manus Partnerin gibt mit der Hand Zeichen. Alice steht still. Nach einer Weile beginnt sie, rückwärts zu gehen. Pascal folgt ihr. Alice geht einen Schritt zur Seite, Pascal auch, wieder rückwärts, dann einen Schritt auf Pascal zu. Er wahrt den Abstand, ihre Schritte gleichen sich an. Fleur drückt ab, Vollbild, dann die Gesichter, die Füße. Als Jana die Übung mit Klatschen beendet, halten sich Alice und Pascal an den Händen und nicken sich zu.
    Nach der Probe gesellt sich Alice zu Fleur. «Ich bin geschafft.»
    «Hat doch bestens geklappt.»
    «Jana war nicht zufrieden.»
    Lis, die in Hörweite aufräumt, sagt: «Sie kritisiert immer. Es kommen alle dran.»
    Alice setzt sich auf eine Bank und zieht ihre Schuhe an. «Gehen wir zusammen nach Hause?»
    «Klar», sagt Fleur.
    Vor dem Schulhaus holt Pascal Fleur und Alice ein. «Es war mir eine Freude, mit deiner Großmutter zu spielen, Fleur. So eine charmante Oma hätte ich auch gerne.»
    Er zwinkert Alice zu. Fleur lacht ihn an und hakt Alice ein.
    Alice wacht spät auf. Ein Traum hat sie verschlafen lassen. Sie saß im Kostüm in der Garderobe und begann, sich zu schminken, als die anderen Tänzerinnen sie wegzerrten. Sie rannte mit ihnen auf die Tanzfläche, ohne eine Ahnung von der Choreografie zu haben. Sie schaute ab, stand aber plötzlich zuvorderst in der Reihe und wusste nicht, was tun. An der Schlafzimmerwand bilden sich Lichtschlieren. Die Sonne. Alice dreht sich auf den Rücken. Ist es richtig, wieder aufzutreten? Von den Launen einer Regisseurin abhängig zu sein? Fleur wäre enttäuscht, zöge sie sich zurück. Pascal auch. Sie streckt sich. Wäre ja gelacht.
    Sie steht auf,

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