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Nochmal tanzen - Roman

Nochmal tanzen - Roman

Titel: Nochmal tanzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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der Jugendlichen aus der Nachbarschaft geschrieben? Ich habe sie vor meinem ersten Treffen mit Alexander im Zug kennengelernt. Sie hat mich ermuntert, an einem Generationen-Tanztheaterprojekt ihres Gymnasiums teilzunehmen.
    Gestern war die erste Probe. Ich dachte, ich könne es in Sachen Tanzen locker mit anderen Alten aufnehmen, doch die Regisseurin sagte nach der ersten Übung: «Alice, vergiss die Tänzerin.»
    Da bemühst Du Dich ein Leben lang um Eleganz, um Haltung und bist stolz, dass der Körper sie verinnerlicht hat, und dann heißt es, «weg damit». Ich wäre am liebsten aus der Probe gelaufen. Gott sei Dank war die anschließende Aufgabe erfreulicher. Wir mussten Führen üben, wie wir das früher mit unseren Schülern zu tun pflegten. Mein Gegenpart war ein junger Mann, brauner Wuschelkopf, Grübchen in den Wangen. Er hätte Dir gefallen (ich glaube, Fleur gefällt er auch). Er scheint sich dem Theater verschrieben zu haben, so eifrig war er dabei. Zum Abschied sagte er, er wünschte sich eine Oma wie mich. Wie mich das gefreut hat!
    Fleur fotografierte während der Probe. Sie machte sich unsichtbar, war aber sehr aufmerksam. Sie scheint das Leben überaus ernst zu nehmen. Ohne dass ich sie darum gebeten hatte, fertigte sie eine Wegskizze vom Bahnhof zum Schulhügel an, wartete vor der Schule auf mich und stellte mich ihren Kolleginnen und der Regisseurin vor. Dank ihr kam ich mir nicht deplatziert vor – dabei kenne ich sie kaum. Ihre Kolleginnen wirken selbstbewusster als sie. Die eine hat Spielwitz und Wille. Die andere packt im Hintergrund an. So viel ich verstanden habe, kümmert sie sich um Kostüme und Bühnenbild.
    Auf dem Heimweg erzählte mir Fleur, dass ihr Vater, ein Architekt, vor zwei jahren auszog. Sie sehe ihn selten. Ihre Mutter arbeite seit der Trennung bei der Einwohnerkontrolle, suche aber etwas Neues. Sie habe kurz vor Fleurs Geburt Kunstgeschichte abgeschlossen und nach der Babypause ehrenamtlich die Schulbibliothek aufgebaut. Eine gesellige Frau, ich habe sie am Hoffest gesehen.
    Solange wir uns über ihre Eltern unterhielten, blieb Fleur reserviert. Erst als wir aufs Fotografieren zu sprechen kamen, lebte sie auf. Sie ist fasziniert von den Votivbildern in der Klosterkirche. Wir waren einmal zusammen dort, kannst Du Dich erinnern? «Die Bilder sind grotesk», sagte Fleur. «Sie sollten Beweise dafür sein, dass es sich lohnt, zu glauben. Dabei muss man über das Unglück der Leute lachen, so wie es gemalt ist.» Ich wandte ein, mit dramatischeren Darstellungen würde die Kirche zum Gruselkabinett. Da lachte sie, dass ihr die Tränen kamen.
    Als ich fragte, ob sie oft in die Kirche gehe, sah sie mich entgeistert an und mokierte sich über die Naivität der Frommen. «Statt etwas gegen das Leid zu unternehmen, falten sie die Hände im Schoß. Sie rühren keinen Finger, fühlen sich aber erhaben über die anderen», entrüstete sie sich. Ich sagte, ich beneidete diese Menschen um ihr Gottvertrauen. Da kam sie in Fahrt. «Und wenn du Gott vertraust und er dich hängen lässt?»
    Das Foto, das ich Dir schicke, machte sie bei unserer ersten Begegnung im Zug. Ich finde es gelungen, auch wenn mich die Frau darauf irritiert. Früher deutete ich Falten und weißes Haar als Zeichen von Weisheit. Heute sehe ich Unvollkommenheit darin und Sterblichkeit.
    Martin, Ende Jahr sehen wir uns. Ich freue mich darauf!
    Herzlich
    Deine Alice

9
    Auf der Treppe überholen Michael und Fleur eine Schülerin, die immer wieder stehen bleibt und ins Handy lächelt. Michael streift ihre Umhängetasche beim Vorbeigehen. «Sorry», knurrt er.
    Vor dem Schulhaus sagt Fleur: «Ich bleibe hier, wir haben Theaterprobe.»
    «Ach so. Bis morgen.» Michael eilt den Hügel hinunter.
    Fleur bleibt vor der Schule stehen und sieht auf die Uhr. Alice kann nicht mehr weit sein. «Die coole Oma» ist zum Schulhausgespräch geworden. Sogar der Hausmeister hat sie auf Alice angesprochen. Hoffentlich reißt sich Jana zusammen und hackt nicht wieder auf ihr herum. Als sie in der zweiten Probe «nicht so affektiert» ausgeteilt hatte, hätte sie am liebsten «Stopp» gerufen, «lass Alice in Ruhe!». Einen Moment lang dachte sie, Alice werfe den Bettel hin. Sie ging von der Bühne, nahm ihre Tasche zur Hand. Doch dann putzte sie sich die Nase und kehrte zurück.
    Sie entdeckt Alice vor dem Imbiss. An ihrer Seite geht ein Mann. Das wird Alexander sein. So alt? Was Alice an dem gefällt?
    «Alexander sieht heute bei der Probe zu»,

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