Nochmal tanzen - Roman
ein Loch in den Asphalt gefressen haben. Dass sie schweigt, scheint ihm nichts auszumachen.
Unten angekommen, öffnet er die Tür zum Imbiss und hält sie für Fleur auf.
«Was möchten Sie trinken?»
«Einen Apfelsaft bitte.»
Er stellt sich an die Theke. Fleur setzt sich an eines der Tischchen und packt die Kamera aus. Während Alexander auf die Getränke wartet, geht sie die Probenfotos durch. Auf den Ausziehbildern schauen alle ernst drein. Um wenigstens mit dem Gesicht Abstand zu halten? Was Alice und Pascal jetzt wohl proben? Alexander bringt den Saft an den Tisch. Seinen Espresso trinkt er in einem Schluck. «Alice hat mir erzählt, dass Sie gut fotografieren. Darf ich einen Blick auf die Bilder werfen?» Fleur platziert die Kamera so, dass er etwas sehen kann. «Schön eingefangen», kommentiert er die Aufnahmen, auf denen Pascal Alice entkleidet. «Eine mutige Frau, die Alice.»
«Ja.» Sie klickt schnell weiter, damit Alexander die vielen Fotos von Pascal nicht sieht. «Nicht so eilig. Sie haben ein gutes Auge, Fleur.»
«Ich weiß nicht.»
«Sind Sie unsicher oder kokettieren Sie?»
Sie starrt ihn an. «Ich bin selbstkritisch.»
«Wollen Sie Fotografin werden?»
«Alle wollen wissen, was ich werden will. Warum interessiert nicht, wer ich jetzt bin?»
«Das tut es schon. Nur habe ich den Eindruck, dass Sie nichts preisgeben wollen.»
Was erlaubt der sich. Fleur trinkt einen großen Schluck. «Und wenn ich nicht weiß, was ich werden will?»
«Ich bin sicher, Sie wissen, was Sie gerne tun, was Sie gut können. Wahrscheinlich haben Sie sogar einen Traum.»
«Wer nicht.» Sie verknotet den Bändel der Kamera, löst ihn, verknotet ihn. Vor dem Fenster schlendert Hand in Hand ein Paar im Alter ihrer Eltern vorbei.
«Man muss sich seine Träume vornehmen, Fleur. Sie wollen doch nicht zum Spielball der anderen werden, oder?»
Schärfer, als sie möchte, entfährt ihr: «Was nützt es, Träume zu haben, wenn man sie nicht verwirklichen kann.»
«Warum nicht?» Alexander steht auf und bestellt einen zweiten Espresso. Die Frau hinter der Theke füllt den Kolben, presst das Kaffeepulver hinein, rastet ihn ein. Das Brummen der Kaffeemaschine sorgt für Ruhe in Fleur. Sie faltet den Bändel zusammen, legt die Kamera in die Tasche. Die Kaffeemaschine verstummt. Ein Löffel fällt auf Porzellan. Alexander legt Münzen auf die Theke und kommt zum Tisch zurück. «Fleur, glauben Sie an Ihre Fähigkeiten. Wenn Sie es nicht tun, tut es niemand.»
«Glauben.» Sie schnaubt.
«Man kann das üben.»
«Ach ja?»
Er nippt am Espresso. Fleur sieht, dass seine Hand zittert. «Stellen Sie sich etwas, was Sie sich wünschen, bildlich vor. Zum Beispiel eine Ausstellung mit Ihren Fotografien. Machen Sie das so lange, bis Sie jedes Detail vor sich haben: den Raum, die Möblierung, die Besucher, die Rede, den Blumenstrauß, den Sie bekommen.»
«Machen Sie das?»
«Ja.»
Sie sieht Jana den Hügel hinabrennen. Alice wird bald da sein. «Ist alles so gekommen, wie Sie es sich ausgemalt haben?»
«Mehr oder weniger.»
«Sie hatten Glück.»
«Das auch.» Alexander schaut aus dem Fenster. Seine Augen halten einen Moment lang still. Er wird Alice entdeckt haben. «Ich tue alles, um das, was ich mir wünsche, zu erreichen. Damit stelle ich das Glück vor die Wahl: Entweder du kommst, oder du kommst nicht.»
Fleur hört die Tür aufgehen. «Hält dir Alexander einen Vortrag?» Alice legt ihr eine Hand auf die Schulter und setzt sich neben sie. «Das macht er bloß beim ersten Mal.» Alexander senkt verlegen die Augen.
«Hat er dir von seiner neuesten Mission erzählt?»
«Welche?»
«Er geht nur bei freundlichen Leuten einkaufen.» Alice wirft Alexander einen Blick zu, senkt die Stimme. «Ich fürchte, er wird verhungern.»
Er lacht. «Was darf ich dir zu trinken bringen?»
«Nichts, danke. Ich bin müde. Tut mir leid, dass du vergeblich auf mich gewartet hast, Alexander. Ich muss nach Hause. Gehen wir, Fleur?»
Fleur schließt die Wohnungstür hinter sich ab. In Mutters Zimmer brennt noch Licht. Sie streckt den Kopf zu ihr hinein. «Hallo.»
«Wie wars?», fragt Mutter unter der Bettdecke hervor. Vor ihr liegt ein Buch.
«Alice hat Alexander mitgenommen.»
«Wie ist er?»
«Speziell. Was liest du?»
«Einen Roman über einen italienischen Barockmaler, der die Heiligen auf seinen Fresken mit den Gesichtern von Dorfbewohnern ausstattete. Josef malte er nach dem Bäcker, Maria nach der sich prostituierenden
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