Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
Pelz anfa n gen würden.
„Einen schönen, warmen Kragen wird er abgeben. Oder Futter für deine Winterstiefel.“
Naduah reagierte auf solche Neckereien gern mit einer liebevollen Rauferei, aber jetzt, da sie sich so kurz vor der Geburt nur noch wa t schelnd fortbewegen konnte, beschränkte sie sich auf strafende Blicke und vorwurfsvolles Schweigen. Wanapin selbst gab nichts auf leere Dr o hungen. Sie lehnte sich gegen den dicken Bauch ihrer Stute und lauschte nach dem Leben darin. Siyo würde in wenigen Tagen ihr erstes Fohlen zur Welt bringen. Vielleicht würden beide Wesen gemeinsam das Licht der Welt erblickten und damit ein enges Band zwischen Mensch und Tier knüpfen. Auf dem Pferd, das in Siyos Körper heranwuchs, würde ihr Sohn reiten lernen. Auf ihm würde er eins mit dem Wind werden und zum ersten Mal jagen. Er würde an seiner Seite schlafen und träumen und all das lernen, was auch sie gelernt hatte. Sie wusste, dass man ihr einen Jungen schenken würde. Viele Träume hatten ihr von ihm erzählt. Sie wusste, dass sein Haar nicht schwarz, sondern dunkelbraun sein wü r de, und sie kannte die Farbe seiner Augen, die das reine, kühle Grau des Sturmhimmels besaßen.
Ein lauter Knall ertönte. Zuzueca griff seinen Sohn mit der Lanze an. Wie zwei spielende Raubtiere forderten sie einander heraus Heute, an diesem schönen Morgen, war es nur ein Spiel. Ein Kräftemessen voll Gra zie und Leichtigkeit .
Dreimal waren die Krieger in diesem Sommer ausgezogen, um Trecks, Ranger und Landvermesser anzugreifen. Sie war bei diesen Kämpfen nicht zugegen gewesen, denn die Sorge in Noconas Augen war so ergre i fend gewesen, dass Naduah es nicht fertigbrachte, gegen seinen Willen aufz u begehren. Ihr Sommerlager lag an einem sicheren Ort, verborgen zwischen Bäumen in einer Schlucht. Sie trug nicht nur die Verantwo r tung für ihr Leben, sondern auch für das ihres Mannes und ihres Kindes. Es schmerzte, auf die Rückkehr der Krieger zu warten und nichts weiter tun zu können, als für ihre gesunde Rückkehr zu beten. Dreimal war Nocona ausgezogen, dreimal war er unverletzt aus dem Kampf heimg e kehrt. Die Geister waren ihnen wohlges innt . Jeder Ei n dringling, der seinen Fuß in die Comancheria setzte, fürchtete um sein Leben. Jeder Weiße überlegte es sich dreimal, ob er es wagte, dieses Land zu durc h queren, denn die Gefahr, niemals sein Ziel zu erreichen, war groß.
Jetzt, da Nocona und Zuzueca zurücktraten und den Anwärtern den Übungsplatz überließen, wurde sie Zeuge der unendlichen Geduld ihres Mannes. So oft die Jungen auch Fehler begingen, so oft sie auch geifernd aufeinander losgingen und in ihrem Heißsporn alle Regeln vergaßen, blieb er umsichtig und sanft. In unerschütterlicher Ruhe zeigte er ihnen, wie es richtig zu machen war, korrigierte ihre Haltung und demonstrierte Tricks, die für ein besseres Gelingen der Übungen sorgten. Die liebevolle Geduld, die er den Jungen entgegenbrachte, würde er auch seinem Sohn schenken. Bei diesem Gedanken schoss e ine Welle ziehenden Schme r zes durch ihren Unte r leib.
Ungläubig umfing sie ihren Bauch. Begann es jetzt? Hier und heute? Etwas in ihrem Körper zog sich krampfartig zusammen. Sie spürte, wie das Kind sich bewegte, wie es trat und zuckte, als wollte es endlich die Welt sehen, von der sie ihm so oft vorgesungen hatte. D ie Schmerzen verebbten, und noch ehe der Krampf ganz gewichen war, umfassten Noconas Hände bereits ihre Schultern. In seinen Augen mischte sich Sorge mit kindlicher Aufregung.
„Kommt unser Sohn?“
Kaum hatte sie genickt, wurde sie von ihm hochgehoben und davon getragen. Zuzueca und die Gruppe angehender Krieger blickten ihnen hinterher, verhalten miteinander tuschelnd, denn es war nicht üblich, dass ein Mann sich um Frauendinge scherte. Doch Nocona kümmerte sich nicht darum. Mit stolz erhobenem Kopf trug er sie quer durch das Dorf.
„Es geht mir gut.“ Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und schnu p perte. Der Duft nach Sonne, Erde und dem S chweiß des Kampfes brachte sie schnell auf andere Gedanken . „Lass mich runter. Ich bin kein erlegter Hirsch, den du dir um die Schu l ter werfen kannst.“
Doch er dachte nicht daran, ihr den Gefallen zu tun. „Sind die Schmerzen schlimm?“
„Ich spüre es kaum. Es ist nicht der Rede wert.“
Warme Flüssigkeit rann aus ihrem Schoß. Sie errötete, doch Nocona lief weiter, ohne eine Miene zu verziehen. Huka hatte ihr vom lieblich duftenden Wasser erzählt, das kurz
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