Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
davon abhalten, bei ihr zu sein.“
„Sohn!“, donnerte Zuzuecas Stimme. „Du bleibst bei uns, oder ich werde dich eigenhändig fesseln.“
„Versuch es.“
„Muss ich dich an den Ohren ziehen wie einen ungezogenen Bengel, dass du zur Vernunft kommst?“
„Sie hat Schmerzen. Sie braucht mich.“
„Es sind die Gesetze unserer Ahnen, die du brichst. Kein Mann hat im Geburtszelt etwas zu suchen.“
Die Geräusche eines Handgemenges erklangen. Naduah war es gleich, denn schon wieder füllte der Schmerz all ihr Denken aus. Erneut presste sie, diesmal mit solcher Kraft, dass ihr schwarz vor Augen wurde. Huka murmelte etwas Unverständliches, Mahtowin stieß ein glückliches Schnaufen aus. Etwas schoss aus Naduah hervor, wurde von einem Fell aufgefangen und emporgehoben. Helles, wimmerndes Geschrei ertönte. Das Gez ä nk der Männer verwandelte sich in Jubelschreie.
Mahtowin durchtrennte die Nabelschnur mit ihrem Messer und nahm den Jungen in den Arm, um ihn sanft zu wiegen. „Naduah, du hast einen Sohn. Einen wunderschönen, starken und sehr ungeduldigen Sohn.“
Ungläubig starrte sie es an. Das Wesen, das aus ihrem Körper hervo r gekommen war.
Er war so winzig. So zart und schön. Ihr B e wusstsein schwand, nur um Augenblicke später zurückzukehren. Sie spürte, wie die Nachg e burt schmerzlos ihren Körper verließ . Mahtowin wi c kelte das übe r flüssig gewordene Gewebe in ein Stück L e der und überreichte es Huka, die sofort hinauseilte, um es zu vergr a ben.
„Ich werde deinen Sohn im Fluss waschen. Ruh dich solange aus.“ Kaum war ihre Mutter verschwunden, verließ auch die Heilerin das Zelt, mit dem Kind auf dem Arm. Lautstarkes Jubeln erhob sich, als das Fell vor den Eingang fiel, und erst dieser Lärm machte ihr wirklich bewusst, welches Wunder geschehen war Sie war Mutter geworden. Sie war Mu t ter eines Sohnes.
In ihren Ohren summte es. Alles war so unwirklich. So unfassbar und wundervoll. Sie fiel in einen kurzen, erschöpften Schlaf, und als sie die Augen wieder aufschlug, saß ihre Mutter neben ihr. Tränen glitzerten in Hukas Augen, ihr Lächeln war überglücklich.
„Ich bin so stolz auf dich, meine Tochter. Wenn die Eule meinen N a men ruft, werde ich ihr folgen und zufrieden auf mein Leben blicken.“
Naduah stöhnte. „Rede nicht vom Tod. Nicht jetzt und niemals wi e der. Ich will nach draußen. Bitte hilf mir.“
Huka gehorchte. Schwäche übermannte Naduah, doch mit jedem Schritt wurde das zittrige Gefühl in ihren Beinen schwächer. Als ihre Mutter das Fell zurückschlug, war Mahtowin bereits zurückgekehrt. G e waschen und sauber lag das Kind in Noconas Armen, die grauen Augen blickten wach in den Himmel hinauf. Zuzuecas sonst steinhartes Gesicht war weich geworden, Mahto kämpfte mit den Tränen. Über ihrem Tipi prangte nun ein schwarzer Kreis, das Zeichen für die Geburt eines So h nes.
„Sieh dir das an.“ Mahtowins Kleid war über der Brust völlig durc h nässt. „Sein Strahl ist gewaltig wie ein Wasserfall.“
„Er ist das schönste Wesen, das ich jemals gesehen habe.“ Voller Stolz schwoll Nocona die Brust. „Er ist unser Sohn, mein Blauauge. Unser Sohn. Ich werde niemals zulassen, dass ein Schatten über meine Familie kommt. Das schwöre ich.“
Der Triumphschrei der Quohadis hallte in der Stille des Herbsttages wider und schwang sich zu einem Laut auf, in dem Glück und zugleich die grimmige Entschlossenheit lag, den neu gewonnenen Schatz mit seinem Leben zu verteidigen. Naduah fröstelte, denn da war ein wilder, kämpferischer Glanz in Noconas Augen, der sie zu sehr an die Däm o nen erinnerte. Ihr Sohn war in eine Zeit des Krieges hineingeboren wo r den. Wie sein Vater würde er für die Freiheit kämpfen müssen. En t schlossen drängte Naduah diese Gedanken zurück. Sie war glücklich, und dieses Glück würde sie sich nicht nehmen lassen.
„ Ich bete für euch .“ Mahto schloss sie fest in seine Arme, wobei er d a rauf achtete, nicht auf ihren Bauch zu drücken. „ D as Mysterium soll im mer über euch wachen . Die Zeiten sind schwierig, aber wie blass wäre Triumph, wenn es die Niede r lage nicht gäbe? Denke daran, dass die schweren Zeiten euch stark m a chen und den Geschmack der Freude süßer, wenn sie zurückkehrt.“
Naduah lächelte. Später würden sie gemeinsam feiern, doch jetzt gab es nur eins, wonach sie sich sehnte.
„Wir gehen zum Fluss und suchen einen Namen für unseren Sohn. Ich danke euch allen.“
Naduah nahm ihr
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