Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
Fall, das s mal wieder der Strom ausfiel.
Sporadisch waren die b eiden umsichtig genug, zumindest so zu tun, als nähmen sie das Haus und die Umgebung in Augenschein. Wie aufget a kelte Störche staksten sie durch den Matsch, zogen Grimassen oder staunten sich die Augen aus dem Kopf.
Zu dumm, dass Paul und seine Freunde nirgendwo zu entdecken w a ren. Insbesondere das schwarze, schlecht gelaunte Monstrum hätte ihm gute Dienste erwiesen. Im Geiste sah er den Hund bereits knurrend an Anthonys Hosenlatz hängen. Zu guter Letzt, als Makah sämtliche mo r gendlichen Routinearbeiten erledigt hatte, baute er sich vor Ruth und ihrem Gockel auf, bat das Große Mysterium um Geduld und blaffte: „Frühstück?“
Ruth nickte, Anthony quiekte.
„Also dann. Rein mit euch.“
Sara war aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Sie trug noch immer ihr langes weißes Nachthemd und huschte mit der Anmut eines Gespenstes um den Küchentisch herum. Als sie die Neuankömmlinge entdeckte, erstarrte sie zur Salzsäule, einen hübsch angerichteten Lachsteller in der einen Hand, die Kaffeekanne in der anderen. Auf der Platte hinter ihr verströmten frisch getoastete Bagel s , Ahornsirup, Rühreier, gebratener Speck, Marmelade und Käse himmlische Düfte.
Verdammt und zugenäht. Wären Ruth und ihr Paradiesvogel nicht g e wesen, hätte er sich umfassend bei Sara bedankt. Und zwar nackt.
„Ich nehme an, du bist genauso überrascht wie ich?“ , interpretierte er ihren Gesichtsausdruck.
Saras Züge vollzogen eine Wandlung von konfus über verwirrt bis hin zu wütend. Er war dabei gewesen, als sie auf dem Weg vom Kranke n haus zum Reservat mit Ruth telefoniert hatte, aber von einer Einladung war keine Rede gewesen.
„Was sucht ihr hier?“
Anthony ließ einen seiner theatralischen Seufzer erklingen, während Ruth mit den Schultern zuckte. Ihn schien diese Hütte durchaus anz u sprechen, während die Lady ein Gesicht zog, als wäre sie in Hundekot getreten.
„Herb und spartanisch“, befand Anthony. „So wohnt ein Naturbu r sche aus echtem Schrot und Korn. Sieh dir nur die Felle an. Und diesen Bogen. Gott, wie archaisch. Darf ich das Schlafzimmer sehen?“
„Nein“, knurrte Makah.
„Zu schade.“
„Nun ja.“ Ruth drehte eine Pirouette. „Es ist den Umständen ang e messen, denke ich.“
„Den Umständen?“ Sara schien mit dem Gedanken zu spielen, die Kaffeekanne über Ruths Kopf auszugießen. „Hast du dir meine Fotos eigentlich jemals genau angesehen? Ich meine alle, auf denen er nicht zu sehen ist?“ Sie deutete mit dem Finger auf Makah. „Ist dir klar, dass dieses Haus luxuriös ist, verglichen mit den Bretterhütten in diversen Slums ? Ist dir bewusst, dass es Menschen gibt, die nicht fün f tausend Dollar für ein Kleid ausgeben können, das sie nur einmal tragen? Die um ihr Überleben kämpfen und jeden Tag in Angst leben, ihre Kinder kön n ten ve r hungern oder erfrieren oder an Krebs erkranken, weil das Land von profitgierigen Konzernen verseucht wird, die das Schicksal der Reservatsbewohner einen Dreck interessiert? Elf Menschen sind in den letzten Wochen erfroren, Ruth. Und warum? Weil sie sich kein Heizm a terial leisten kö n nen. Willkommen in der dritten Welt. So sieht ’ s aus. Und nein, es kommt nicht gut, hier mit einem Armani-Kleid und einer Gucci-Tasche aufz u laufen.“
Ruth machte einen empörten Ei n druck. „Das ist keine Gucci-Tasche . “
„Tut mir leid. Ich habe keine Ahnung von diesem Luxuskram.“
Die Lady und der Paradiesvogel tauschten Blicke aus. Sie taten eine Weile nichts anderes, bis Sara abwinkte und sich zu ihm herumdrehte. „Lässt du uns bitte kurz allein? Ich muss ein paar Sachen klären.“
Er nickte und warf ihr ein Lächeln zu, das besänftigend gemeint war, doch seine Wirkung verdampfte an der Hitze ihres Zorns. Er suchte Zuflucht im Schlafzimmer. Verhaltene Stimmen erklangen, kaum dass er die Tür schloss. Wenn Sara immer auf diese Weise mit ihrer Chefin u m sprang, könnte man meinen, die Hierarchie sei umgekehrt. Blieb nur zu hoffen, dass er nicht die Schuld an ihrem Ausbruch trug und sie sich in Schwierigkeiten brachte. Ihre Selbstsicherheit beeindruckte ihn, gar keine Frage, aber ein gut bezahlter Job war heutzutage Gold wert, und wenn sie denselben wegen ihm verlor, würde er sich bis ans Ende aller Zeiten schuldig fühlen.
Wie auch immer, er musste dringend diese Klamotten loswerden. Sandkörnchen schabten über seine Haut, als er die klamme Jeans au
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