Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
schnell. Er betrachtete die wachen gra u en Augen seines Sohnes, das weiche Haar, das bereits die Schultern berüh r te, und er glaubte, schon jetzt den Mann zu sehen, der er einst sein wü r de.
Quanah ähnelte ihm mit jedem Tag mehr. Man konnte ihn ins Gras setzen, und Stunden später saß er noch genauso da, starr te stumm in die Ferne, als sähe er Dinge, die andere nicht wahrnahmen. Nocona fühlte Wehmut , denn er erinnerte sich an seine eigene Ki ndheit und dachte zugleich an den Lauf der Dinge, der aus ihm einen Großvater und aus Qu a nah einen Krieger machen würde.
Als die den Uferwald erreichten, tanzten Mückenschwärme um sie herum . Kolibris schwirrten im Schatten der Bäume , Sonnenlicht fli m merte auf den Blättern der Pappeln und Eichen, fing sich in Flügeln der Schmette r linge und auf der Strömung des Flusses. Nocona atmete den Duft überreifer Pflaumen ein und g e noss die Wärme seines Sohnes, der sich an ihn schmiegte. Ihm war egal, was morgen sein würde. Er lebte jetzt. Er war dieser Moment.
Wie weit er ritt, wusste er nicht. Cetans beruhigende Bewegungen, die Hitze und das Grün des Waldes umnebelten seinen Geist. Irgendwann versperrte ihnen ein Nebenarm des Flusses den Weg. Er glitt von Cetans Rücken, setzte Quanah wieder auf seine Schultern und schritt das Ufer entlang, bis zu einem Ort, wo vor langer Zeit ein Fel s rutsch das Wasser aufgestaut hatte. Zwischen knorrigen Bäumen und wildem Wein war ein Teich entstanden, tiefgrün und flach, durchz o gen von einer leichten Strömung. Die Felsen, die herabgestürzt waren, bildeten einen wunde r baren Platz, um sich abzukühlen und auszuruhen.
„Siehst du?“ Nocona zog seinen Schurz aus und warf ihn über einen Ast. „Das da oben sind Königsvögel, die uns auslachen.“
Quanah bedachte die leuchtend gelben Vögel mit neugierigen Blicken. Als Nocona ihn in das Wasser tauchte, stieß er ein genüssliches Gurren aus. Der Teich war warm und spendete in diesen drückend heißen Tagen kaum Kühlung. Mit Quanah auf seinem Arm watete er durch das brus t tiefe Wasser hinüber zu den Felsen. Zumindest hier im Schatten schen k te es einen Hauch von Frische.
„Das hier ist ein Ort der Geister“, sagte er leise. „Deswegen ist es so still. Kannst du sie spüren? Sie halten den Atem an, weil wir hier sind. Sie wollen uns nicht stören. Und solange wir an sie glauben und sie ehren, beschützen sie uns.“
Quanah zeigte ein schiefes Zahnlückengrinsen. Nocona schwenkte ihn durch das Wasser, hob ihn hoch und drückte ihn an sich, tauchte unter und stieß wieder durch die Oberfläche. Das Lachen des Kindes hallte durch die so m merschwere Stille.
Ein paar Mal durchmaß er den Teich von einem zum anderen Ende, ließ Quanah unbeholfene Schwimmzüge versuchen und setzte ihn auf einem Felsen ab. Spottdrosseln begannen zu kreischen. Vielleicht eine Aufforderung der Flussgeister, sie in Ruhe zu lassen. Nocona verschränkte die Arme auf dem Stein, legte seinen Kopf d a rauf und erlaubte sich ein paar Momente des Dösens. Benommen vor Hitze und Zufriedenheit glaubte er, einen mächtigen, durch nichts zu zerst ö renden Schutz über sich zu spüren. Quanah spielte mit seinen Haaren, während er immer schläfriger wurde.
Für einen Moment schloss er die Augen, ab der Brust vom Wasser umfächelt, darüber gewärmt von der Sonne. Sein Blut floss zäh wie H o nig. Erst ein Rascheln schreckte ihn auf. Benommen fuhr er hoch, aber es war nur Mahtowin, die am Rande des Teiches stand und ihnen z u winkte.
Er kehrte an das Ufer zurück und übergab der Greisin den Jungen, um seinen Schurz anzulegen. Mahtowin kitzelte Quanah mit einer Feder, die sie ihm über das Gesicht zog.
„Es tut gut, euch zuzusehen. Verzeih mir meine Heimlichkeit.“
Nocona zuckte nur mit den Schultern. Er setzte sich neben Mahtowin auf einen umgestürzten Pflaumenbaum, zog eine der blauvioletten Früchte von seinen immer noch grünenden Ästen und halbierte sie. Begeistert kaute Quanah auf der einen Hälfte herum, während Mahtowin dankbar die zweite annahm. Beide verfügten über die gleiche Anzahl Zähne und hatten ähnliche Mühen, die Pflaumenhälfte zu zerkauen.
„Ich bin euch gefolgt“, schmatzte die Heilerin, „weil ich wegkommen wollte von ihren Gesichtern und ihren Gefühlen. Wenn man in den Menschen liest, sammelt sich viel Schmerz in einem an. Die Zeiten, in denen ich ohne Hilfe auf ’ s Pferd komme, sind wohl gezählt.“
Sie deutete auf ihre weiße Stute, die am
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