Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
die Dämonen des Frostes, die sie in die Irre führen wollten.
Hinter den Hügeln waren Büffel. Mindestens fünf Tiere.
Makamnaya ließ das Seil los, an dem er das Packpferd führte, und trieb seine Stute an. Nocona wollte sich keiner vorschnellen Hoffnung hing e ben, doch mit jedem Schritt, den sein Hengst vollführte, begann sein Blut, wilder zu kochen. Ein Büffel bedeutete Fleisch und Fett für den ganzen Winter. Auch, wenn sie es mit Makamnayas Familie teilten, wü r de bis zum Frühjahr niemand mehr hungern müssen.
Seine Hand war nicht wie gewohnt ruhig, als er den Bogen aus dem Futteral zog. Keine gute Voraussetzung für einen schnellen, tödlichen Schuss. Makamnaya erging es kaum besser. Erst nach mehreren Vers u chen gelang es ihm, seine Waffe hervorzuholen. Zu steif gefroren, zu schwach waren seine Finger. Gleichgültig. Sie mussten erfolgreich sein, koste es, was es wolle. Scheiterten sie, verurteilten sie ihre Familien zum Tod. In der Luft lag der Geruch nahender Schneestürme und noch e r barmungsloserer Kälte. Der Winter war noch jung, die schlimmsten Tage und Nächte standen noch bevor. Heute oder nie , heulte der Ei s wind. Nutzt eure letzte Chance , klirrten die Schneekristalle, die in wirbelnden Wolken über die Hügel tanzten.
Nocona hielt den Atem an, als sie den Hügelkamm erreichten. Unter ihnen, vom Kältenebel in Schattengeister verwandelt, scharrten elf Büffel im flachen Schnee einer Senke.
Elf Büffel. Ein wundervoller und zugleich trauriger Anblick. Verga n gen waren die Zeiten, da Herden von unvorstellbarer Größe die Prärie in ein wogendes, schwarzes Meer verwandelt hatten. Vorbei die Zeit des Überflusses und des grenzenlosen Lebens. Dort unten kämpften die letzten Überlebenden ihrer heiligen Brüder um ihre Existenz, wie sie, ihre Jäger, es taten.
Kohana tänzelte unruhig. Cetan, sein treuer Freund, der nun über die Prärien der anderen Welt flog, hätte ihm bessere Dienste geleistet als dieser launische Junghengst. Nocona zog einen Pfeil aus dem Köcher, legte ihn an und spannte seinen Bogen. Makamnayas Bewegungen fol g ten den seinen so gleichmäßig, als wären ihre Gedanken zu einem Willen verschmolzen. Die Pfeilspitze, auf das Herz des größten Tieres gerichtet , tanzte unsicher hin und her. Jede Bemühung, seinen Arm ruhigzuhalten, war zum Scheitern verurteilt.
Vor Hunger konnte er kaum klar denken, geschweige denn konze n triert zielen. Es gab keine Alternative, er musste treffen. Entkam der Bü f fel, würden ihre Familien den Frühling nicht mehr erleben.
Makamnaya schoss als Erster. Sein Pfeil bohrte sich in den Höcker des Büffels. Keine tödliche Stelle. Der Bulle wuchtete seinen massigen Kö r per auf und verfiel mit der Trägheit eines Felsens in Galopp. Nocona richtete sein Ziel neu aus, spannte den Bogen so fest, wie es seine Mu s keln zuließen, und ließ seinen Pfeil fliegen.
Bis zu den Federn drang er in die Brust des Büffels ein. Knapp neben dem Herzen. Eine schwere Wunde, aber nicht schwer genug, ihn zu Boden gehen zu lassen. Zehn Tiere stoben keuchend und stöhnend durch knietiefen Schnee und verschwanden im Nebel. Der verletzte Bulle folgte ihnen mit taumelnden Galoppsprüngen. Blut spritzte in den Schnee.
Nocona jagte seinen Hengst den Hang hinab. Die Hinterbeine des Pferdes rutschten weg, es verlor den Halt und schlitterte auf den Hinte r backen durch den Schnee. Das dumpfe Geräusch, mit dem die Spitze se i nes zweiten Pfeiles in die Flanke des Bullen einschlug, schenkte ihm neue Hoffnung.
Neben ihm schoss Makamnaya seinen Köcher leer, trieb schreiend seine Stute an, brüllte und fluchte seine Verzweiflung hinaus. Endlich, als sie den Steilhang bewältigt hatten und wieder Seite an Seite ritten, ve r langsamte sich der Galopp des Bullen. Die Zunge hing ihm weit aus dem aufgerissenen Maul, er blieb stehen, taumelte und krachte schwer auf die Seite.
Geschafft! Jetzt konnte er ihnen nicht mehr entkommen.
Nocona schoss ihm in die Brust , ohne dass er starb. Er schoss noch einmal, und noch einmal, doch wie es jeder in diesen Zeiten tat, kla m merte sich auch das Tier mit wütender Inbrunst an sein Leben. Makamnaya jagte dem Büffel aus nächster Nähe einen Pfeil in den Sch ä del. Der Bulle warf sich stöhnend hin und her.
Noch weitere fünf Mal mussten sie schießen, erst dann fiel der Kopf des Tieres in den Schnee. Blutströme flossen aus Nase und Maul. Nocona sprang vom Pferd, zückte sein Jagdmesser und durchtrennte mit einem
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