Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
aussaugte.
Die Antwort blieb ihm im Hals stecken. Er wich Naduahs Blick aus, denn sonst hätte er zur Kenntnis nehmen müssen, wie farblos ihr G e sicht geworden war. Seine steifen Glieder schmerzten, als er seine Robe able g te, aus Wams, Hemd und Beinlingen schlüpfte und seine Stiefel in die Ecke warf. Einen Augenblick lang hielt er inne, um die Wärme des Fe u ers auf seiner ausgekühlten Haut zu spüren. Drüben im Schatten schlief Pecan , behütet von Asa und Wanapins. Sein G e sicht, selbst in der Krankheit so schön und zart, dass es ihm den Atem raubte, war nass vor kaltem Schweiß. Es ging ihm von Tag zu Tag schlechter. Während Asa tief und fest schlief, starrte ihn der Hund hel l wach an. Das Tier, selbst dem Tode nah , flehte ihn an, seinem Freund zu helfen.
„Kann ihm Mahtowin nichts gegen das Fieber geben?“ Wenigstens ging es Quanah besser. Er schwelgte im ruhigen Schlaf der Heilung. „Sie muss doch etwas haben.“
„Mahtowin kann nicht mehr kommen “, sagte Naduah. „Sie ist von uns gegangen . Und ich finde keine Medizin, die ihm hilft. “
So viel Tod. Zu viel Tod. Mit Quanahs zunehmender Gesundung schien der Wille des Schicksals, ihn mit guten Nachrichten aufzumu n tern, erschöpft zu sein. Er setzte sich neben seine Frau, strich ihr und Topsannah über das Haar und versuchte, die Dunkelheit nicht an sich heranzulassen. Das Schicksal seiner Familie hing davon ab, dass er stark blieb. Ein paar Stunden Ruhe, dann musste er erneut sein Glück vers u chen. So lange, bis er Wild fand, und wenn es bedeutete, dass ihm Hände und Füße abfroren. Irgendwo musste es noch Tiere geben. Die Weißen konnten nicht alle ausgerottet haben.
Naduahs Finger teilten sein nasses Haar, während Topsannah neben ihnen saß. Mit träumerischer Langsamkeit kämmte sie hindurch, schmiegte ihre Brust an seinen Rücken und streichelte seine Sorgen fort. In Augenblicken wie diesen hegte er Hoffnung. Im Frühjahr würden sie weiterwandern, noch tiefer hinein in die Staked Plains. Sie würden sein wie der Wind, den niemand greifen konnte. Lautlos und unsichtbar. Im Gegensatz zu ihren Feinden waren sie mit diesem Land verwachsen. Es würde sie leiten und beschützen. Naduahs schwerelose Stimme sang das alte Liebeslied, und als sie sich mit Topsannah in ihrer Mitte unter die Felle kuschelten, erfüllte ihn wunderbare Müdigkeit.
„Morgen“, flüsterte er schlaftrunken . „ Morgen bringe ich uns Fleisch.“
„Ich weiß“, antwortete Naduah. „Alles wird gut.“
Er bemerkte nicht einmal, wie er einschlief. Als er hochfuhr, so abrupt, als hätte ihn ein Schlag getroffen, war das Morgengrauen noch fern. Um seinen Brustkorb lag ein Band kalter, lähmender Angst. Er wusste nicht, was er geträumt hatte, doch der Nachhall dieses Traumes erfüllte ihn mit Panik.
Bewegungslos starrte er auf Topsannahs Gesicht. Er stellte sich vor, wie sie als Frau aussehen würde. So schön, dass es jedem Mann die Spr a che verschlug. Er sah sie bei Festen tanzen und hörte den zarten M u schelschmuck klimpern, der ihr Kleid aus weißem Rehleder zierte. Ihre Stimme würde klingen wie das Lied des Zaunkönigs und jeden verza u bern.
Er stemmte sich hoch und hauchte Küsse auf Naduahs und Topsannahs Wangen. Seine Söhne schliefen tief und fest. Er ging zu ihnen, strich über ihre warmen Köpfe und dachte darüber nach, dass er in a n deren Zeiten der glücklichste Mann der Welt gewesen wäre. Jetzt aber fürchtete er um seine Familie, um sein Dorf und sein Volk.
Das G efühl der Enge in seiner Brust raubte ihm den Verstand. Er musste hier raus. Er musste atmen, die Nacht spüren. Draußen vor dem Zelt ging er in die Knie. Die Dunkelheit war totenstill. Frieden lag über dem tief verschneiten Dorf. Lautlos stiegen die Rauc h fahnen in den Himmel, auf dessen dunkelblauem Grund unzählige Sterne funkelten, als bestünden sie aus p o lierten Kristallen.
Alles wirkte anders. Selbst die Zeit.
Er fragte sich , warum.
Das Band eisiger Angst lähmte seinen Herzschlag. Nie hatte er so e t was empfunden. Vielleicht war es eine Warnung der Geister. Sie spr a chen zu ihm, aber er konnte sie nicht verstehen.
Als der Schnee unter Schritten knirschte, die sich bedachtsam nähe r ten, gelang es Nocona kaum, sich umzudrehen. Sein Körper fühlte sich an, als hätte er sich in Eis und Fels verwandelt. In einen Teil der Klippen selbst.
„Ich kann auch nicht schlafen.“ Makamnayas Stimme klang fremd in der frostigen Stille. „Das Knurren meines
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