Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
tut mir leid um deine Eltern“, fuhr Huka fort. „Es tut mir leid um all die Unschuldigen, die sterben mussten, und die noch sterben werden. Man sagt uns nach, wir würden aus reinem Vergnügen töten und Kinder skalpieren. Natürlich gibt es einige unter uns, die von Gnade und Mitleid nichts wissen und tun, was man ihnen vorwirft. Auf beiden Seiten gibt es Gute und Böse.“
Huka legte eine Hand vor den Mund und hielt einen Moment inne , bevor sie fortfuhr. „Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken. Aber du sollst verstehen, warum wir uns wehren. Krieg ist immer furchtbar, aber seine Heimat und seine Freiheit zu verteidigen, ist von allen Gründen, ihn zu führen, der Beste.“
Cynthia zog Arme und Beine an ihren Körper und machte sich so klein wie möglich. Sie wusste nicht mehr, was sie denken oder fühlen sollte. Vaters Worte hallten in ihrem Kopf nach: „W eil es ungläubige He i den sind. Barbaren, die ihre eigenen Neugeborenen essen, wenn die Nahrung knapp wird. Sie sind ein Schandfleck auf Gottes Erde. “
Die Augen der Indianerin blickten ebenso traurig und ängstlich wie die ihrer Mutter. Ihr Lächeln war so sanft wie das ihrer Mutter. Sie wollte der Frau in die Arme fallen und sich trösten lassen, aber wenn sie das tat, würde n ihr Vater und der Pastor im Himmel toben und sie nie durch die Pforte lassen.
Plötzlich wurde das Fell, das den Eingang des Tipis verdeckte, mit e i nem Ruck zurückgeworfen. Ein Mann trat herein. Ein großer, langhaar i ger, schrecklich aussehender Mann mit funkelnden Augen. Auf seinem rot - grau gemusterten Plaid glitzerte Tau.
Cynthia kroch im Krebsgang rückwärts, bis sie gegen die Zeltwand stieß. Wieder stürzten die Bilder der Schlacht auf sie ein. Grauenvolle Kreaturen, die Männer wie Frauen hinschlachteten. Kreaturen wie dieser Mann.
Der Wilde kniete sich neben Huka, ließ sich von ihr das Haar zausen und starrte sie mit schief gelegtem Kopf an. Nicht wie ein Heide, der sich bereits ausmalte, wie ihre Leber schmecken würde. Sondern neugierig und freundlich. Seine große Hand streckte sich nach ihr aus, kam näher und näher, bis Cynthia die Zähne bleckte und sie mit einem Knurren beiseite stieß. Wieder erntete sie für diese Tat keine Strafe. Verblüfft musste sie zusehen, wie der Mann lachte, Huka in den Arm nahm und einen zärtlichen Kuss auf ihre Wange hauchte.
„Ist es dir neu, dass ein Mann seiner Frau zeigt, wie sehr er sie liebt?“ Die Frau zwinkerte ihr zu. „Das ist Mahto. Mein Ehemann. Ich nenne ihn auch gern meinen alten Kojoten. Du musst keine Angst vor ihm haben, auch wenn er manchmal grimmig schaut. Er ist so harmlos wie ein greiser Präriehund.“
Gottes Verwirrspiel wurde immer seltsamer. Es waren andere Kreat u ren gewesen, die ihr Fort niedergemacht hatten. Keine Menschen wie diese, die sich küssten, umarmten und ihr weiche Kleider gaben.
„Ich will zu Nocona“, sagte sie.
Huka und Mahto begannen , miteinander zu reden. Nicht in der ihr vertrauten Sprache, sondern in ihren eigenen, fremdartigen Lauten, die wie Donnergrollen und Hundeknurren klang en . Die Indianerin schluchzte auf und schüttelte den Kopf. Ihre Arme hoben sich, sie flü s terte und zischte und schien immer wütender, immer verzweifelter zu werden. Ihr Mann schlug sie nicht, um sie zur Ruhe zu bringen, sondern antwortete mit ruhiger, endloser Geduld. Cynthia drückte die beiden Steine an ihre Brust. Hier saß sie, im Dorf der Wilden, umringt von Menschen, die ihre Familie getötet hatten, und verstand weder Gott noch die Welt. Sie durfte ihnen nicht vertrauen. Niemals. Ganz gleich, wie sehr sie es wollte. Der Pastor hatte gesagt, der Teufel kenne tausend Arten, die Dummen und Leich t gläubigen zu verführen. Allein hier zu sein war eine Sünde. Cynthia murmelte Gebete, um die Stimmen der beiden Wilden zu übertönen.
„Jungfrau, Muttergottes mein,
lass mich ganz Dein eigen sein.
Dein im Leben, Dein im Tod.
Dein in Unglück, Angst und Not.
Dein in Kreuz und bittrem Leid.
Dein für Zeit und Ewigkeit.“
Erst, als Huka sie an den Schultern packte, verstummte sie erschr o cken.
„Es ist Schicksal, was geschehen ist. Zwei Menschen, beide noch zu unschuldig für den Krieg, klammern sich auf dem Schlachtfeld aneina n der, und ihr Blut vermischt sich. Mahto sagt, er hat euch in dieser Nacht im Traum gesehen. Dich und Nocona. Ihr seid Hand in Hand durch ein Tal gewandert, in dem das Blut unseres gestorbenen Volkes die Erde düngte und Blumen
Weitere Kostenlose Bücher